Einst war das Ruhrgebiet das Revier fürs Bier. Aber auch nachdem viele Brauereien verschwunden sind, hängen die Menschen an diesem Tropfen. Sie beleben alte Marken oder lassen das Pils in Waschmaschinen perlen

Essen. Wenn Thomas Raphael Hopfen in den Sud mischt, riecht es nach seiner Kindheit. Die Zeit, in der das Ruhrgebiet das Revier fürs Bier war. Aber auch heute noch gärt es im Pott. Oder besser: Hier braut sich wieder 'was zusammen. Aus Gründen des guten Geschmacks oder der Nostalgie wegen wird vielleicht gerade in diesem Moment in Nachbars Keller eine Maischepfanne erhitzt.

Ein weiteres Relikt aus der Bier-Zeit steht vor Raphaels Fenster: Das gold-weiße U der einstigen Dortmunder Unionsbrauerei. Doch der tägliche Blick auf die Ruine hat nicht den Durst nach eigenem Bier geweckt, sondern ein alter Krug vom Flohmarkt. 30 Jahre lang stand er im Regal 'rum mit der handgemalten Aufschrift: DBB. Das Dortmunder Bergmannbier, dessen Produktion 1972 eingestellt wurde.

Der 49-Jährige überprüfte eher aus Langeweile die Marke - sie war ungeschützt. Er kaufte die Rechte und seitdem will der Biologe Brauer werden. "Im November war es noch eine verrückte Idee. Nun wäre es toll, wenn wir in zwei Jahren davon leben könnten."

Das erste Testbier füllte er in einer kleinen Brauerei in Hagen ab. Jetzt sucht er nach einem Gelände, auf dem er seine eigene Brauerei eröffnen kann. Und bis dahin hofft er, der Original-Rezeptur auf die Spur zu kommen. Allerdings mit einem kleinen Abstrich: Ältere Biertrinker erinnern sich daran, dass das Bergmannbier leicht nach Zwiebeln schmeckte. "Das war ein Braufehler." Auf diese Schwefelverbindung will Raphael daher lieber verzichten.

Marko Lodders' erstes Bier landete im Ausguss. 18 Prozent Alkohol. Da wäre ein geselliger Abend schnell vorbei gewesen. Der Dortmunder wollte aber kein "Null-acht-fünfzehn-Bier" mehr. So probierte er weiter auf dem Elektroherd für sich und seine Freunde. Doch die genauen Temperaturen und Rastzeiten konnte er darauf nicht einhalten. Die saubere Lösung fand sich schnell: eine Waschmaschine. "Sie hat eine Pumpe, eine Heizung, ein Rührwerk. Alles, was man braucht." Und der gesellige Abend ist garantiert. Denn, wenn Lodders Hopfen in den Sud mischt, klopfen bald die schnuppernden Nachbarn in der Waschküche an: "Wann gibt es wieder Bier?"

Bei der Hausbrauerei Webster geht es auch ohne Geruch. Der Dampf wird in Duisburg aufgefangen. Es sei denn, man schiebt den Deckel der Maischepfanne zur Seite, die eher wie ein Bottich als eine Pfanne aussieht. Sofort denkt man an einen Topf mit dampfenden Kartoffeln. "Stärke", erklärt Marc Weber, der zusammen mit seiner Frau und einem Freund die Hausbrauerei 1992 eröffnet hat.

Die Ingenieure für Brauwesen geben ihr Bier nicht in den Handel. Es wird direkt an den Tischen getrunken. Zusammen mit einer deftigen Mahlzeit geht das Konzept auf. Wie in anderen Hausbrauereien, etwa in Essen bei der Dampfbierbrauerei oder in Bottrop beim Brauhaus Bottich.

Weil das Webster-Team mit der Zeit gehen will, bietet es neben Pils und Altbier Kiri an - ein Biermixgetränk mit Ingwer oder Koriander, das es nur in Flaschen gibt. Weber: "Wenn wir früher aus Flaschen getrunken haben, war das popelig. Bei den Jugendlichen ist das heute richtig in."

Auf die Flasche hatten auch Dirk Link und Martin Zünkeler gesetzt. "Ein Anfängerfehler", sagt Zünkeler heute. Sie hatten vor vier Jahren die Rechte an der Traditionsmarke "Schlegel" gekauft und ähnlich wie das Bergmannbier in einer kleinen Brauerei in Schwelm abgefüllt. 20 Jahre lang war das Bochumer Bier nicht mehr getrunken worden, nun prosteten sich die Menschen wieder damit zu. Nur das Leergut, das brachten sie leider nicht zurück. Ein großer Verlust, der das Projekt fast zum Scheitern brachte. "Wir führen gerade Gespräche mit einer größeren Brauerei. Die Regionalmarke verdient es, wiederbelebt zu werden."

Ähnlich wie das Linden-Bier in Unna: In der Kneipe der früheren Lindenbrauerei fließt nach 20 Jahren Stillstand wieder der selbst gebraute Tropfen. Zu einem Schluck sagt auch Hans Stecker nicht Nein. Der 77-Jährige hat einst in der Unnaer Brauerei gearbeitet und zuletzt in der Dortmunder Actien-Brauerei. Dann ging er in Rente und langweilte sich. Bis er eines Tages in der Fachzeitung "Brauwelt" las, dass die Chinesen Braumeister suchten. Wenn nicht im Revier, dann eben in Xi'an, sagte sich Hans Stecker und flog 1987 nach Asien. Seinen Gastgebern gefielen seine Tipps so gut, dass sie glatt ein Bier auf seinen Namen tauften: Hans-Bier. Ein Name mit Tradition, der nach deutschem Bier klingt. Nur mit dem Reinheitsgebot nehmen es die Chinesen nicht so genau: "Statt Malz nehmen sie auch schon mal Reis.""Der leichte Zwiebelgeschmack war ein Braufehler"