An der menschlichen Haut dürfen neben Ärzten auch Heilpraktiker, Kosmetiker und sogar Frisöre herumdoktern.Mit fatalen Folgen: Es gibt immer mehr Hautverbrennungen, doch die Politik sieht sich dafür nicht zuständig

DAS GESCHÄFT MIT DER SCHÖNHEIT Essen. Es klang so verlockend. Silke M.* willigte gern ein - die Lichtstrahlen einer Blitzlampe sollten den verhassten Haaren in der Bikinizone "den Garaus machen". Das versprach zumindest die Fußpflegerin. Gut 500 Euro blätterte Silke M. für ein Stück weit mehr Makellosigkeit hin, nicht ahnend, dass den Sitzungen eine lange Zeit des Leidens folgen sollte: "Ich hatte Schmerzen, als ob ich auf einer heißen Herdplatte gesessen hätte", sagt die junge Frau.

In ihrer Not wandte sich Silke M. an den Essener Dermatologen Reinhard Gansel. "Die Frau hat schwere Verbrennungen davon getragen", stellt der Mediziner fest. Er sagt noch mehr: "Sie ist kein Einzelfall." Bei ihm, der sich im Vorstand der Deutschen Dermatologische Lasergesellschaft um den Missbrauch mit Lasern und Blitzlampen kümmert, stapeln sich solche Fälle.

Möglich machen das Gesetzeslücken. An der Haut dürfen neben Ärzten auch Heilpraktiker, Kosmetiker und sogar Frisöre herumdoktern. Sie machen sich an störende Haare, Narben, Pigmentflecke, ja selbst an Muttermale. Nach Fachwissen fragt kaum keiner. Schönheits- und Kosmetikinstitute schießen wie Pilze aus dem Boden, werben im Internet oder mit pseudowissenschaftlichen Broschüren für Abhilfe zu Schlagerpreisen - vorgeblich. Wobei Ärzte meist billiger sind.

Blitzlampen gehören nach geltendem Recht in die Kategorie ungefährlicher Medizinprodukte, sind für jedermann frei zugänglich. Ähnliches gilt für Laser, bundesweit gibt es unterschiedliche Auflagen seitens der Länder. Letztlich darf jeder Produzent sein Gerät ohne Kontrolle selbst einstufen. In NRW ist die Anwendung von Lasern jedoch nur Ärzten und Heilpraktikern erlaubt.

"Eine Riesengefahr" in den Augen von Reinhard Gansel. "Das ist, als ob man waffenscheinpflichtige Geräte Kindern gibt." Die Folgen sind fatal, wie Dr. Klaus Hoffmann von der Bochumer Universitätshautklinik im St. Josef Hospital bestätigt: "Abgesehen von starken Verbrennungen und hässlichen Narben lässt sich nach der Bestrahlung von Pigmentflecken oder Verhornungen durch Laien kaum ein fundierter histologischer Befund erstellen. Heißt: Hautkrebs kann leicht verkannt und verschleppt werden." Eine tödliche Gefahr.

Aufklärung wird jedoch nur selten betrieben. Silke M.: "Bei der ersten Behandlung durch meine Fußpflegerin hat eine Vertreterin des Herstellers ihr das Gerät erklärt. Das war's. Und auf meine Frage nach Nebenwirkungen wurde mir gesagt: 'Ein paar Hautrötungen können auftreten, wie nach einem zu starken Sonnenbad'."

Hoffmann, Gansel und eine Vielzahl weiterer Ärzte laufen seit langem Sturm gegen die gängige Praxis, für sie "gehören diese Maschinen nur in die Hand von Fachärzten". Die Experten stoßen allerdings auf taube Ohren. Eine Anfrage der Universitätshautklinik Hamburg beantwortete das Bundesgesundheitsministerium (BMG) wie folgt: " . . . , dass die betroffenen Geräte in der Mehrzahl keine Medizinprodukte sind. Gemäß der europäischen Medizinprodukte-Richtlinie und der nationalen Gesetzgebung legt der Hersteller fest, ob das Gerät die Definition und die Zweckbestimmung eines Medizinproduktes erfüllt. . . . Diese Einschätzung wird sowohl vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als auch von den zuständigen Landesbehörden geteilt."

Fragt sich, welcher Hersteller sich bei der Rückendeckung freiwillig ins eigene Fleisch schneidet? Blitzlampen kosten locker 20 000 Euro, ein Laser ein Vielfaches. Ein gigantischer Markt.

Kurios: Auf eine Anfrage der WAZ beim BMG hieß es, die Zuständigkeit für Blitzlampen und Laser für ästhetische Zwecke sei Ländersache. Darüber zeigt man sich im Gesundheitsministerium NRW ebenso verärgert wie verwundert. "Über das Medizinproduktegesetz wacht allein der Gesetzgeber", sagt Sprecher Ulrich Lensing. Überhaupt teile man ganz und gar nicht die in dem Schreiben zitierte Meinung. "Wir sind der Ansicht, dass diese gesetzlichen Grauzonen durch eine klare Regelung beseitigt werden müssen. Die Geräte sind eine echte Gefahr in Händen von Laien."

Zumal seit diesem Jahr keine Krankenkasse mehr für die Schäden aufkommt, die Opfer müssen neben den Schmerzen zudem noch die Kosten der Nachbehandlung (er-)tragen.

"Laser und Blitzlampen sind invasive Systeme", sagt selbst Dr. Hauke Harms vom Weltmarktführer für Laser- und Blitzgeräte Lumenis. "Damit können sie sogar schneiden." Lumenis hat wegen der Missbrauchsfälle seine Geräte vom freien Markt genommen. "Wir geben die Maschinen nur noch an Käufer ab, die ihre ärztliche Approbation nachweisen", sagt der Geschäftsführer. Eine strenge Regelung per Gesetz sei dringend notwendig.

Ein Anfang, aber ein schwacher Trost für Manuel H.* Er war den Spott seiner Mitschüler leid, hat einen großen Pigmentflecken am Oberkörper per Blitzlampe behandeln lassen. "Zum Glück nur an einer kleinen Stelle", sagt der Schüler. Sonst wären die üble Entzündung und der Schmerz danach größer gewesen. Auch er erlag dem Werben eines jener Kosmetik-Institute, erlag einem angeblichen Fachmann. Manuel lebt heute mit der Angst, dass der Fleck sich bösartig verändert - zu Krebs.

Der "Fachmann" ist, wie sich herausstellte, Physiker, neuerdings auch Heilpraktiker. *Namen geändert"So, als ob man waffenscheinpflichtige Geräte an Kinder gibt"