Was ist besser für mein Kind, fragte Kerstin Tritten aus Castrop-Rauxel die WAZ. Antwort: Je besser die Ausbildung, desto größer die Chancen. Doch für beide Alternativen gibt es gute Gründe

AKTION MITREDEN! WAZ LESEN Essen. Der Handwerksmeister rät seinem Sohn: Mach es wie ich, geh in die Lehre. Sicher ist sicher. Der Chefarzt sagt seiner Tochter: Du machst ein Studium, ist doch klar. Plus ein paar Semester in Harvard.

Und was ist richtig? Man muss - wie so oft - antworten: kommt drauf an.

Ein Studium kostet zunächst einmal ziemlich viel Geld. Neben den Lebenshaltungskosten muss man mit 500 Euro Studiengebühren plus rund 150 Euro Sozialbeitrag pro Semester rechnen, jedenfalls in NRW und sechs anderen Bundesländern. 700 bis 900 Euro im Monat benötigt ein Student zum Leben. Eine Ausbildung bringt dagegen direkt etwas ein. Mit 500 bis 800 Euro kann ein Azubi, je nach Ausbildungsjahr und Beruf, rechnen. Aber kann man die Zukunft allein über das Konto entscheiden?

Für manche ist die Ausbildung keine Frage des Geldes, sie sehen eine möglichst umfassende Bildung als wichtige Voraussetzung zur Entwicklung der Persönlichkeit und geistigen Freiheit. Für andere ist das kalter Kaffee, sie suchen nach Wegen, ihre Fähigkeiten effektiv zu vermarkten.

Wie auch immer, fest steht: Ein Studium ist zwar zunächst teuer, doch sind dafür später die Jobchancen besser. Eine Berufsausbildung bietet auch gute Beschäftigungschancen, doch ist der Karriereweg insgesamt beschränkter.

Was raten die Experten?

"Die Berufsaussichten für Akademiker sind besser denn je", sagt Marion Rang von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV Bonn) der Bundesanstalt für Arbeit. Bei Akademikern beträgt die Arbeitslosenquote derzeit etwa 4 Prozent. Die allgemeine Quote lag im August 2007 bei 8,8 Prozent. "Ich würde immer ein Studium enpfehlen", sagt Marion Rang, "das ist schon fast eine Versicherung gegen Arbeitslosigkeit."

Der Aufschwung hat sich unter den Studierten besonders positiv bemerkbar gemacht. Offenbar wird zur Zeit fast alles gesucht und auch genommen. Von 2006 auf 2007 registrierte die Bundesagentur für Arbeit deutliche Rückgänge bei der Zahl der arbeitslosen Akademiker in fast allen Bereichen - nur einige Beispiele: Agraringenieure minus 27 Prozent, Maschinenbauer minus 35 Prozent, Elektroingenieure minus 32 Prozent, Bauingenieure minus 42 Prozent, Volkswirte minus 40 Prozent, Datenverarbeitungsfachleute minus 27 Prozent, sogar bei den Sozialwissenschaftlern gab es ein Minus von 22 Prozent. Das sind Argumente.

Die Wahl des Faches sollte ein junger Mensch aber nicht allein von der Lage auf dem Arbeitsmarkt abhängig machen, das könnte sich in einigen Jahren wieder ändern. "Man sollte sich von seinem Talent und seinen Fähigkeiten leiten lassen. Welches Fach man studiert, ist fast egal", findet Marion Rang.

Doch müssen jetzt nicht alle an die Hochschule rennen. Rang: "Jeder, der eine Berufsqualifizierung erlangt, hat gute Möglichkeiten." Zahlreiche neue Ausbildungsberufe bieten Chancen und anspruchsvolle Arbeit. Seit 2007 gibt es zum Beispiel den "Mediengestalter Digital und Print" oder den "Sport- und Fitnesskaufmann". Doch sie warnt: "Bloß nicht aus Faulheit, einer Laune oder wegen Geld ein Studium sein lassen!"

Barbara Berkhuijsen ist Leiterin der Studienberatung der Uni Duisburg-Essen. Sie rät: "Wer vor der Entscheidung steht, sollte sich fragen: Worauf kommt es mir an? Was interessiert mich? Was will ich erreichen? Was kann ich?" Und zwar ganz konkret: Habe ich mal ein Schulfest organisiert, führe ich im Verein die Kasse, und die Buchführung geht immer auf? "Das sind Hinweise darauf, dass ich ein gutes Verhältnis zu Zahlen habe, alleine arbeiten kann und mich für wirtschaftliche Dinge interessiere - womöglich ein Argument für ein Studium", sagt Barbara Berkhuijsen.

Ja, wir brauchen mehr Fachleute, meint auch Gudrun Ramthun vom Bildungswerk der Nordrhein-Westfälischen Arbeitgeber. "Aber es müssen nicht alle studiert haben." Wer gerne mit den Händen arbeitet, etwas aufbaut, gestaltet, für den ist womöglich eine Lehre das Beste. Vor allem in den gewerblich-technischen Berufen sind die Aussichten sehr gut, weiß Ramthun. 360 Ausbildungsberufe gebe es, da bieten sich auch für junge Leute mit einem weniger glänzenden Schulabschluss Qualifizierungswege an. "Es ist nicht so, dass Personalchefs sagen, ich nehme nur noch ab Bachelor aufwärts. Jugendliche mit einem guten Realschulabschluss werden in vielen Unternehmen sehr gerne genommen", sagt Gudrun Ramthun.

Übrigens kann man auch beides kombinieren, Lehre und Studium. 16 Hochschulen in NRW bieten "duale Studiengänge" an. Dabei werden Studium und berufliche Ausbildung aufeinander abgestimmt. 3600 Studierende gehen derzeit diesen Weg. Vorteile: Ausbildung fast mit Jobgarantie. Und: Statt Bafög gibt es vom ersten Semester an eine "Ausbildungsvergütung" von rund 800 Euro. Nachteil: es erfordert viel Einsatz. "Das ist etwas für Jugendliche, die bereit sind, Leistung zu zeigen", sagt Gudrun Ramthun.

Lehre oder Studium? Einzeln, nacheinander oder sogar gleichzeitig, alles ist möglich - sofern es genügend Ausbildungs- und Studienplätze gibt. Aber das ist ein anderes Thema.