Weil die niederländische Polizei den Druck auf die Drogenbosse erhöht hat, weichen diese über die Grenze nach Deutschland aus. Die Zahl der professionellen Hanf-Plantagen steigt
Essen. Oft führt der Zufall zur Entdeckung. Zum Beispiel Anfang Januar in Wattenscheid, als bei einem Brand intensiv-süßlicher Rauch aus einer Fabrikhalle drang. In nordrhein-westfälischen Kellern, Scheunen und Hallen reift immer mehr Haschisch und Marihuana heran.
In den letzten Jahren hat das Landeskriminalamt einen sprunghaften Anstieg der Zahl professioneller Hanf-Farmen festgestellt. 2003 wurden gerade mal sechs entdeckt, 2006 waren es 57 - 36 so genannte Großplantagen mit 100 bis 1000 Pflanzen sowie 21 Profi-Plantagen mit über 1000 Pflanzen. In den ersten Monaten dieses Jahres stöberten die Ermittler in NRW bislang drei Groß- und zwei Profi-Plantagen auf, von denen die Farm in Wattenscheid mit 2000 ausgewachsenen Cannabis-Pflanzen sowie 9000 Stecklingen mit Abstand die größte war.
Grundsätzlich gehe der Trend jedoch zu kleineren Anbauflächen in Wohnhäusern, erklärt Stefan Kahl, Leiter der Projektgruppe Cannabis im LKA. "Dort kann man sie besser verstecken." In den Niederlanden gingen die Ermittler längst mit Hubschrauber und Wärmebildkamera auf die Jagd nach Hanf-Plantagen - die Wärmelampen, unter denen die Pflanzen heranwachsen, erzeugen jede Menge Hitze. "Wir haben auch Wärmebildkameras", betont Kahl. Trotzdem sei der Fahndungsdruck im Nachbarland erheblich höher - weshalb die holländischen Drogenbosse den Stoff verstärkt in Nordrhein-Westfalen anbauen lassen.
Die Vorgehensweise sei ausgesprochen professionell, erklärt Kahl: Deutsche Strohmänner treten als Mieter auf, die niederländischen Hinterleute übernehmen Finanzierung und Materialbeschaffung. Ganze Bautrupps rücken an, um Wärmelampen und Bewässerungsanlagen zu installieren sowie Stecklinge zu setzen. Die Ernte übernehmen eigens dafür angeworbene Helfer aus Osteuropa. Die Blätter werden zurück in die Niederlande transportiert, dort verarbeitet und das fertige Produkt im Coffee-Shop verkauft.
Zollfahnder entdecken bei mobilen Kontrollen immer öfter Jungpflanzen aus Holland oder technische Ausrüstung für die Cannabis-Zucht. Auch die Menge der beschlagnahmten Drogen steigt ständig. Dealer würden immer abgebrühter, erklärt Stefan Muhr, Sachgebietsleiter Rauschgift beim Zollfahndungsamt Essen, das mit seinen Außenstellen die deutsch-niederländische Grenze überwacht. "Fünf bis zehn Kilo Haschisch im Kofferraum sind fast schon normal. Versteckt wird fast nichts mehr." Über die Kuriere gelingt es den Zollfahndern gelegentlich, eine Hanf-Farm zu ermitteln. "Aber Plantagen interessieren uns eher zweitrangig", sagt Sprecher Ulrich Schulze.
Häufig führen Tipps von Anwohnern zur Entdeckung, erklärt Stefan Kahl vom LKA. Weil sich der Vermieter über verdunkelte Fenster wundert. Weil es süßlich riecht. Weil häufig Fahrzeuge mit gelbem Nummernschild vor der Tür stehen. Oder weil Dieselaggregate vor sich hin brummen. Denn der Strombedarf einer Hanf-Plantage sei enorm: 20 000 Kilowattstunden pro Jahr verbraucht eine kleinere Anlage mit bis zu 200 Pflanzen, sagt Karl. Zum Vergleich: Eine Durchschnittsfamilie kommt mit etwa 3000 aus. Weil der hohe Verbrauch auffällt, weichen die Drogenbauern gerne auf besagte Dieselaggregate aus - oder manipulieren die Stromleitung. Das wiederum löst häufig - wie in Wattenscheid - Brände aus.
Und obwohl immer öfter Plantagen entdeckt werden, machen die Drogenbarone damit gute Geschäfte. Laut Landeskriminalamt ergeben 100 getrocknete Cannabis-Pflanzen vier Kilo Marihuana mit einem Marktwert von etwa 32 000 Euro. Und das vier bis fünf Mal pro Jahr. So oft ist unterm Dach Erntezeit."Fünf bis zehn Kilo Haschisch im Kofferraum sind fast schon normal"