Essen. Wer oft im Ruhrgebiet unterwegs ist, kennt das: endlose Staus auf den Straßen, kompliziertes Umsteigen im Nahverkehr, überfüllte Züge. Das Problem ist seit Jahren bekannt, eine schnelle Lösung nicht in Sicht. Aber dafür immerhin eine neue Studie.

Im Fokus der Studie, die der Verkehrsexperte der Universität Duisburg-Essen, Professor Jörg Schönharting, in Essen präsentiert hat, stehen die Verkehrsprobleme benachbarter europäischer Metropolen, die sich in internationaler Konkurrenz zum Ruhrgebiet befinden: London, Paris, Amsterdam genauso wie Rhein-Main, Hamburg oder Berlin.

Beruhigend zunächst: Ballungsräume wie Rhein-Main, Berlin oder Amsterdam haben noch mehr Autobahnkilometer als das Ruhrgebiet; mit Wasserstraßen sind wir besser erschlossen als London oder Berlin, und beim Güterverkehr auf der Schiene schlägt das Revier alle, die in diesem Punkt verglichen wurden: Hamburg, Berlin, Paris und London. Völlig niederschmetternd allerdings: Wir haben nicht mal ein Taxi pro 1000 Einwohner. In Berlin sind es immerhin zwei, in London nahezu stolze acht Taxis.

Stadtbahnnetz nur rudimentär

Es kommt, was kommen muss in Sachen Ruhrgebiet: Direktverbindungen in den ländlichen Raum – Fehlanzeige; das Stadtbahnnetz – nur rudimentär ausgebildet. Die Folge: Der statistische Mensch des Reviers legt am Tag lediglich acht Kilometer per U- oder S-Bahn zurück, die Berliner 49, die Londoner gar 62 Kilometer. Auch im Vergleich der Flughäfen konkurrierender Regionen wie London, Paris, Amsterdam oder Brüssel kann die „Metropole Ruhr“ nicht mithalten.

Der Studie zufolge werden „sich die bestehenden Engpässe dramatisch verschärfen“. Den bestehenden Konzepten hingegen stellt Professor Schönharting ein verheerendes Zeugnis aus: Es fehle „ein integriertes Konzept, um den Pendlerverkehr der Region zu verringern“. Es gebe keine Ansätze, das CO2-Ziel der Bundesregierung – 40 Prozent weniger bis 2020 – zu erreichen, Antworten auf die Verknappung fossiler Kraftstoffe wie Benzin und Diesel seien nicht in Sicht.

Brauser: „Wir erleben bald den Kollaps“

„Wenn sich nichts ändert, erleben wir bald den Kollaps im mittleren Teil des Ruhrgebiets“, bringt es Hanns-Ludwig Brauser auf den Punkt. Er ist Geschäftsführer der „Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr“ und Auftraggeber der Studie, die aus seiner Sicht vor allem eines bewirken soll: den öffentlichen Diskurs anstoßen „jenseits der politischen Farbenlehre“. Der regelmäßige – nach Brausers Vorstellung jährliche – wissenschaftliche Vergleich mit anderen Metropolen soll dazu führen, „wenigstens darüber zu reden“, wie die Metropole Ruhr in Sachen Mobilität für die Zukunft aufgestellt ist.

Ansatzpunkte für durchaus kontroverse Zukunftsdiskussionen bietet die vorliegende Studie zur Genüge.

  • Stichwort A40 in Essen: Den Verkehr in die Stadt integrieren und eine Überbauung zulassen (Brauser: „Das ist übrigens kein Essener Thema allein!“).
  • Stichwort Direktverbindungen zwischen den Städten und in die ländlichen Gebiete: Aufbau eines Netzes von Metrobus-Linien.
  • Stichwort Citymaut: Das Thema dürfe „kein Tabu sein, auch wenn es nicht populär ist“, so Verkehrsexperte Jörg Schönharting. Die Citymaut wirke „verkehrsdämpfend“ und könne beispielsweise für begrenzte Zeit zur Finanzierung von Verkehrsprojekten eingesetzt werden.

Geht es nach den Vorschlägen der Studie, darf auch das Taxigewerbe im Ruhrgebiet frohlocken. Es könne in den öffentlichen Personenverkehr integriert werden als „interessante Komponente für verkehrsschwache Zeiten“, so Schönharting.

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