Essen. Der Stiftungsboom in NRW hält an. Mit 215 neuen Stiftungen ist 2007 erneut ein Rekordergebnis erzielt worden. Zwei Gesetze und damit verbundene Steuervorteile sollen die Triebfeder für die Stiftungsfreude sein.
Die Bürgerstiftung
Neben traditionellen Stiftungen besteht auch die Möglichkeit, als Gruppe, Stadt oder Region eine Bürgerstiftung zu gründen.
Der Vorteil: An einer Bürgerstiftung kann man sich mit wesentlich niedrigeren Beiträgen beteiligen. Statt 50.000 Euro kann ein Bürger dabei auch nur 200 Euro zuschießen. Diese können aber ebenso steuerlich geltend gemacht werden.
In NRW sind im vergangenen Jahr 14 Bürgerstiftungen neu gegründet worden. Insgesamt gibt es 70 solcher Stiftungen.
Bundesweit nimmt Nordrhein-Westfalen mit einer Gesamtzahl von 2935 Stiftungen den Spitzenplatz ein. Mit 215 neuen rechtsfähigen Stiftungen im Jahr 2007 kann das bevölkerungsreichste Bundesland die schon sehr hohe Zahl der Neugründungen aus dem Vorjahr (216) halten. Etwa 120 Millionen Euro sollen nach Angaben des Innenministeriums in Stiftungen eingebracht worden sein, die im Jahr 2007 gegründet worden sind. Nach wie vor stehen bei den Stiftungen in NRW mit Abstand soziale Zwecke vorn, gefolgt von Erziehung und Bildung sowie Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur.
„Stiftungen bieten eine optimale Möglichkeit, Vermögenswerte sozialen, kulturellen oder anderen gemeinnützigen Zwecken dauerhaft zur Verfügung zu stellen“, erklärte Landesinnenminister Ingo Wolf (FDP) in Düsseldorf. Bereits im Jahr 2005 hat der Landtag ein Gesetz beschlossen, das die Gründung und Anerkennung von Stiftungen vereinfacht. In den Jahren vor dem Gesetz lag die Zahl der neu gegründeten Stiftungen nur bei 180, also deutlich unter den Zahlen der vergangenen beiden Jahre. Darüber hinaus unterstützt der Bund seine Bürger mit steuerlichen Erleichterungen. Und auch diese sollen die Stiftungsfreundlichkeit noch einmal erhöht haben, sagt der Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V.
Steuervorteile
Am 21. September 2007 waren rückwirkend zum 1. Januar erhebliche Verbesserungen im Stiftungs-Steuerrecht verabschiedet worden. So können nun Zuwendungen in den Vermögensstock gemeinnütziger Stiftungen bis zu einer Höhe von einer Million Euro steuerlich geltend gemacht werden - über zehn Jahre verteilt. Zuvor waren es nur 307.000 Euro. „Außerdem konnte man vor Verabschiedung des Gesetzes nur das Kapital steuerlich geltend machen, mit dem man eine neue Stiftung gegründet hat,“ erklärt Katrin Kowark, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit beim Bundesverband Deutscher Stiftungen. „Mittlerweile kann man auch das Kapital steuerlich geltend machen, das man in eine bereits bestehende Stiftung einfließen lässt.“
Hinter vorgehaltener Hand hoffen nordrhein-westfälische Abgeordnete und Ministeriums-Mitarbeiter, dass die Steuererleichterungen nicht der einzige Grund für den Stiftungsboom sind und bürgerschaftliches Engagement ebenso unabhängig von Steuerersparnissen stattfindet. Katrin Kowark versucht zu beruhigen: Auch der Wirtschaftsaufschwung, etliche Erbschaften, die Stiftungs-Tradition sowie der Gründungswille von Unternehmen hätten die Zahl der Stiftungen sowie das Stiftungsvermögen erhöht. Doch de facto stellen die Experten fest, dass die Steuervorteile große Wirkung haben. „Wir beobachten, dass Mäzene sich bei der Vermögensausstattung häufig am steuerlichen Rahmen orientieren“, sagt beispielsweise Hans Fleisch, Generalsekretär des Bundesverbands Deutscher Stiftungen. „Die verbesserten steuerlichen Regelungen wirken nicht nur auf die Zahl, sondern auch auf die Vermögensgröße von neuen Stiftungen positiv.“
Leuchttürme
Mindestens 50.000 Euro sollte ein Bürger in die Hand nehmen, wenn er eine Stiftung gründen will. Das empfiehlt der Bundesverband Deutscher Stiftungen. Viele Bürger, gerade aus wohlhabenden Regionen, gehen deutlich darüber hinaus. In Nordrhein-Westfalen ist der Stiftungswille in Bonn, Düsseldorf, Münster und Essen – dort sitzt auch der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft - besonders stark ausgeprägt, wie der Stiftungsreport 2007 zeigt. Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen und Herne gehören wegen ihrer geringen Stiftungsdichte zu den acht Schlusslichtern des Rankings. Im Kreis Olpe, dem Märkischen und dem Hochsauerland-Kreis weist die Stiftungslandschaft ebenfalls große Lücken auf.
Fotos: (Vorne) Die Schule-Hordelhoff-Stiftung organisierte mit einer Wattenscheider Grundschule eine Veranstaltungsserie. Klaus Micke/WAZ
(Oben) Benefizwandern zugunsten der Hermann-Schäfers-Stiftung. Jürgen Hein/WAZ