Kosovo. Der Düsseldorfer Polizeidirektor Rainer Kühn ist jetzt Polizeichef der EU-Mission Eulex im Kosovo. Rund 1420 Polizisten und Ausbilder sollen dem jungen Land helfen, eine eigene Polizeitruppe aufzubauen. Doch noch sind Mafia und Korruption allgegenwärtig.
Der Düsseldorfer Polizeidirektor Rainer Kühn ist seit März 2008 Polizeichef der EU-Mission Eulex im Kosovo. Rund 1420 Polizisten und Ausbilder sollen dem jungen Land helfen, eine eigene Polizeitruppe aufzubauen. Noch sind Mafia und Korruption in der früheren serbischen Provinz allgegenwärtig. Mit Kühn sprach unser Brüsseler Korrespondent Knut Pries.
Herr Kühn, vor Ihrem Job im Kosovo waren sie Leiter der Polizei-Inspektion Düsseldorf-Mitte. Dazwischen liegen wahrscheinlich Welten, oder?
Kühn: Sicher ist die Arbeit im Kosovo nicht der im Düsseldorfer Präsidium vergleichbar. Aber Eulex kümmert sich nicht nur um Aufbau und Fortbildung der kosovarischen Polizei. Wir haben eigene exekutive Befugnisse. Da kommen mir meine Erfahrungen im Einsatzbereich zugute.
Hierzulande gilt das Kosovo als Hochburg von Korruption und organisiertem Verbrechen. Stimmt das Bild?
Kühn: Das Kosovo ist ein junges Land, in dem Rechtsstaatlichkeit noch entwickelt werden muss. Es gibt überall Anzeichen organisierter Kriminalität: das dichte Tankstellennetz, die Motels, die zum Teil gigantischen Neubauten - und keine Produktion von Industriegütern!
Die Tankstellen sind Geldwaschanlagen, die Motels Bordelle?
Kühn: Ich kann nicht bestätigen, dass es sich bei den Motels generell um Bordelle handelt.
Eulex soll den Kosovaren helfen, auf demokratische Art und Weise selbst für Recht und Ordnung zu sorgen. Wie weit sind sie davon entfernt?
Kühn: Das Kosovo hat am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit erklärt, die Verfassung ist am 15. Juni 2008 in Kraft getreten. Das Land ist in der Entstehungsphase. Es wird sicher einige Jahre dauern, bis alle Gesetze und Vorschriften europäischen Standards entsprechen. Die Polizei wurde 1999 mit 170 Kadetten gegründet, hat heute 7500 Polizisten und Polizistinnen. Deren Erfahrung ist noch begrenzt.
Sind sie denn hinreichend kooperationswillig?
Kühn: Die Kooperationsbereitschaft ist im wesentlichen gut bis sehr gut. Aber natürlich wollen die Behörden zeigen, dass man jetzt auch im Verwaltungsbereich unabhängig ist. Die Polizeiführung ist in einer Selbstfindungsphase.
Wie ist die Aufklärungsquote?
Kühn: Bei schweren Delikten oder Kapitalverbrechen wird der Täter im Regelfall schnell ermittelt.
Im Norden des Landes hat die serbische Bevölkerungsminderheit das Sagen, die von der Unabhängigkeit nichts wissen will. Wer übt da die Polizei-Gewalt aus?
Kühn: Die UN haben die vier Polizeistationen im Norden an die kosovarische Polizei übergeben. Die leistet sehr gute Arbeit im Verkehrsbereich und bei der Kriminalitätsbekämpfung. Sie wird von der Bevölkerung in hohem Maße akzeptiert – es sind allerdings auch überwiegend serbische Polizisten.
Wenn die kosovarische Polizeiführung versagt, greifen Sie ein?
Kühn: Wir können eingreifen, und wir haben eigene Befugnisse bei organisierter Kriminalität, Kriegsverbrechen, Terrorismus und Finanz-Delikten. Die UN haben uns rund 1100 Fälle von Kriegsverbrechen übergeben, 30 Fälle organisierter Kriminalität und auch einige Finanzermittlungen.
Sind sie denn in der Lage, Kriegsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen?
Kühn: Ja. Wir haben bereits vier Verfahren zum Abschluss gebracht, die mit Verurteilungen endeten, zuletzt des Vorsitzenden des Innenausschusses des Parlaments. Das zeigt: Wir kommen zu Ergebnissen - ohne Ansehung der Person.