Oberhausen. Buddys werden sie genannt. An der Katholischen Hauptschule St. Michael sorgen Jugendliche für Ruhe in den Großen Pausen. Ein Projekt, das alle verändert hat.

"Üben am Leben"

Düsseldorf. 700 Schulen beteiligen sich am "Buddy"-Projekt. Auch in Hesse haben 250 Schulen das Schlichter-Programm für sich entdeckt.

Deutschlandweit gibt es 700 Schulen, die bei "Buddy" mitmachen. 500 davon wenden das Konzept in der Praxis seit Jahren an. Für Julia Eschenbruch, Pressesprecherin vom "Buddy-Verein", der Beweis für Erfolg. 1999 wurde das Projekt von der Vodafone-Stiftung ins Leben gerufen. Unter ihrer Schirmherrschaft sind 21 Trainer unterwegs in den Schulen und bilden die angehenden Buddys in Seminaren aus. "Es gibt aber auch Schulen, die das selbst in die Hand nehmen. Dazu bekommen sie Unterlagen", sagt Eschenbruch. Dass sich so viele Lehrer und Schüler an dem Projekt beteiligen, wundert sie nicht.: "Es ist sehr praxisnah ausgerichten. Die Schüler lernen quasi am Leben." Auch in Hessen hat der Verein bereits einen Vertrag mit dem Kultusministerium abgeschlossen. Derzeit werden an 250 Schulen Streitschlichter ausgebildet, die sich mit realen Problemen der Jugendlichen auseinandersetzen müssen.

„Was ist mit dem Euro, den du mir schuldest?“ Wütend schuppst ein Schüler das Mädchen auf dem Schulhof an. Sauer schreit sie zurück: „Ich habe den jetzt nicht bei. Was soll das überhaupt?“ Ein Wort gibt das andere, die Situation bauscht sich auf, und eine wilde Prügelei um ein bisschen Kleingeld ist im Gange. Plötzlich kämpfen sich vier Arme durch die Rangelei und drücken mit aller Mühe die beiden Streithähne auseinander. Geschafft. An den Jacken der mutigen Schlichter prangt eine Anstecknadel. „Buddy“ steht darauf. Denn Andrea (16) und Pierre (16) haben eine besondere Funktion. Sie schlichten Streit und engagieren sich im Gewalt-Präventions-Projekt „Buddy“, das seit sechs Jahren an der Katholischen Hauptschule St. Michael in Oberhausen erfolgreich seinen Platz gefunden hat.

Einmal in der Woche treffen sie sich zusammen mit 19 anderen Schülern und machen sich Gedanken, was sie gegen Streit und Zank unternehmen können. Immer abwechselnd übernehmen sie in den Großen Pausen die Aufsicht auf den Schulhöfen und gucken, dass sich keiner daneben benimmt. Was ein Buddy mitbringen muss? Schlagkräftig darf er nur mit Worten sein. „Das heißt aber nicht, dass wir perfekt sind“, entkräftet Pierre gleich die falsche Vorstellung vom Musterschüler. Überhaupt haben Buddys kein Interesse, Lehrern zu gefallen. „Wir wollen die Schüler überzeugen, dass Gewalt keinen Sinn hat“, erklärt Pierre. Früher hatte Pierre selbst Probleme in der Grundschule. Oft wurde er gehänselt und am sozialen Rand stehen gelassen. Deshalb wollte der Hauptschüler gegen Mobbing unbedingt etwas tun und meldete sich sofort bei der Schulsozialpädagogin der Caritas, Margaret Küper-Ekers. Sie hat das Projekt an die Schule geholt und ist neben anderen Lehrern für das Projekt zuständig.

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    Eher durch Zufall ist sie auf Buddy gestoßen und ließ sich sofort von dem Konzept der Vodafone-Stiftung überzeugen. „Schüler werden dadurch aufgewertet. Keiner zeigt mit dem Finger auf sie. Hier steht nicht der Erwachsene, sondern der Jugendliche im Vordergrund.“ Und Margaret Küper-Ekers meint: „So ein Projekt gehört einfach an Schulen.“ Auch die 16-jährige Andrea hat durch „Buddy“ gewonnen. War sie vorher eher der schüchterne Typ, ist sie heute sogar Schülersprecherin. „Ohne Buddy wäre das wohl nie dazu gekommen“, freut sich die Sozialpädagogin über den Erfolg der Schülerin. Überhaupt hat sich seither viel an der St. Michael Hauptschule getan. Schlägereien kommen immer seltener vor, Schüler sehen ihre Fehler schneller ein und Lehrer können sich, entlastet von der Vermittlerrolle, um wesentlichere Dinge kümmern. Sanktionen und Bestrafungen gibt es nicht.

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      Trotz aller Akzeptanz an Schulen: „Manchmal wird vergessen, dass unser Projekt Raum und Zeit braucht. Schüler müssen mal freigestellt werden für Schulungen.“ Deshalb sind die Seminare auch etwas zu kurz gekommen. Die sind aber wichtig. Ohne Theorie gibt es keine Praxis. Die Streitschlichter lernen in Kursen wie man richtig kommuniziert und die Gemüter beruhigen kann. Und das scheint ihnen, auch mit wenig Unterweisung, zu gelingen. „Gerade erst in der Großen Pause haben wir eine Schlägerei glimpflich abwenden können.“

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