Mülheim/Münster. . Bandagiert, balsamiert und blamiert: Ein altägyptischer Leichnam gelangte an ein Gymnasium in Mülheim. Die Schüler behandelten ihn nicht sehr respektvoll.
Ihr Kopf ist nicht mehr dort, wo er mal hingehörte. Und doch ist das kleine Archäologische Museum der Universität Münster stolz, endlich die aufwendig restaurierte Mumie aus Mülheim präsentieren zu können. Sie ist der Star der am Samstag öffnenden Ausstellung „Tod und Ewigkeit“ – samt nachgebautem Kopf.
Viel weiß man nicht über den Toten, der vor rund 2700 Jahren in Ägypten ausgenommen, balsamiert und bandagiert worden war. Fest steht, dass er auf verschlungenen Wegen in einer Mülheimer Schule, dem Karl-Ziegler-Gymnasium, landete, dort nicht immer pfleglich behandelt wurde, und schließlich 1978 als Dauerleihgabe an die Universität Münster ging.
Schädelsplitter und Kippe im Sarg
Erst kürzlich kamen die 15 000 Euro zusammen, um die Mumie zu restaurieren. Die Untersuchungen im Computertomografen zeigten ein fast vollständiges Skelett mit wenig Verschleißerscheinungen: „Es war ein Mann um die Dreißig, der ein gelenkschonendes Leben geführt hat“, sagt die Ägyptologin des Museums, Angelika Lohwasser. Doch sein „Mumienleben“ war keineswegs so würdevoll, wie der reiche Jüngling es sich wohl vorgestellt hatte: Lange wurde vermutet, dass Händler im 19. Jahrhundert den Kopf und andere Einzelteile der Mumie abtrennten und verkauften. Doch der renommierte Mumien-Restaurator Jens Klocke aus Hildesheim fand nun Schädelfragmente im Sarg und glaubt daher, dass der Kopf zerfiel beim Versuch von Neugierigen, ihn auszuwickeln.
Klocke stieß im Sarg auf andere, leicht beschämende Spuren: Ein Stück Brotrinde etwa, ein Zigarrenstummel und ein Zwetschgenkern sind Indizien für ein bewegtes Mumiendasein. „Wir wissen nicht, ob Schüler hier Schabernack getrieben haben oder ob die Mumie Gast auf Schulpartys war oder so. Das können immer nur Hypothesen sein“, sagt Lohwasser.
Wie die Mumie in Mülheim landete, darüber kann das Museum nur spekulieren: „Vielleicht war es eine Schenkung für eine Lehrsammlung“, mutmaßt Lohwasser. Eine konkrete Theorie hat allerdings ein ehemaliger Schüler: Karl-Wilhelm Specht aus Mülheim-Saarn schrieb der WAZ, er sei als Schüler (1948 bis 1958) des früheren Städtischen Naturwissenschaftlichen Gymnasiums zeitweise mit dem Aufräumen der Biologie-Sammlung betraut gewesen.
Dort soll die Mumie in einem mit Hieroglyphen verzierten Sarg gestanden haben. „Die Mumie war ein großes Geheimnis“, so Specht. „Der Sarg durfte auch von uns nicht geöffnet werden. Bei ganz besonderen Anlässen wurde ein Blick hinein gestattet. Es gab einen Lehrer mit dem Namen Dr. Lehfeldt. Er war für Schüler eine ganz besonders interessante Person, weil er große Reisen unternommen hatte, was zur damaligen Zeit sehr ungewöhnlich war.“
Spuren weisen auf einen Lehrer hin
Ob das vielleicht mit Einsätzen im 2. Weltkrieg zu tun hatte? Könnte ja sein, denkt Specht. Jedenfalls habe Lehfeldt sehr spannend erzählen können, so hätten ihn die Schüler mit dem Spitznamen „Bambus“ geadelt. „Ich meine, mich erinnern zu können, dass er die Mumie aus Ägypten beschafft hätte. Das ist aber eine vage Vermutung, wenn auch naheliegend.“
Schulleiter Martin Teuber kann bestätigen, dass ein Werner Lehfeldt von 1946 bis 1949 als wissenschaftlicher Hilfslehrer am Gymnasium unterrichtet hat. Weitere Recherchen sind fast unmöglich, weil das Schularchiv wegen Feuchtigkeitsschäden im Keller in Kartons gelandet ist. Dieses Schicksal immerhin blieb der Mülheimer Mumie erspart.
INFO:
Warum das Museum der Mumie einen künstlichen Kopf aufsetzte, erklärt Ägyptologin Angelika Lohwasser: Schon aus dem alten Ägypten seien Fälle von ersetzten Gliedmaßen dokumentiert. Der Geist solle ja trotzdem Ruhe finden können.
So ist für die Münstermumie ein Schädel nachgebaut und bandagiert worden. „Wir können ja keine Mumie ohne Kopf zeigen“, so Lohwasser.