Tönisvorst/Duisburg. . Polizei-Erfolg mit einer Razzia in Duisburg, Dortmund und Hildesheim. Sie sollen junge Leute indoktriniert und nach Syrien in den Kampf gelotst haben.

  • Wohnhaus der „Nummer 1 des IS in Deutschland“ durchsucht. Es steht in Tönisforst bei Krefeld
  • Nachbarn erinnern sich: „Da war doch schon was vor drei, vier Monaten.“ Nämlich eine erste Razzia
  • Rückkehrer kam reumütig aus Syrien zurück. Er belastet die Gestgenommenen bei der Polizei

In der Gelderner Straße in Tönisvorst war Abu Walaa der große Unscheinbare. „Freundlich“, sagen die, die ihn mal sahen – aber viele waren das nicht: „Ihn hat man nie gesehen, aber die Frau grüßt immer freundlich“, sagt die Nachbarin Elisabeth Weckes. Doch sie habe sich verändert: „Früher trug sie Popelinemäntel, später den vollen Ornat.“ Nämlich? „Kleider bis auf die Erde.“

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Am Morgen, als Weckes aufstehen, ist das Nachbarhaus umstellt von Streifen- und Mannschaftswagen. Mindestens 20 Polizisten seien da gewesen, erzählt eine Nachbarin; doch jetzt ist es wieder ruhig. Zwei kleine Töchter von Abu Walaa kommen nacheinander aus der Schule, strecken sich zur Schelle, „ich bin’s“, dann geht die Tür auf, und sie verschwinden im Innern des kleinen, taubengrauen Hauses.

Das Haus macht einen abweisenden Eindruck

Eine der Töchter ist gerade nach Hause gekommen. Das Fahrrad des Mädchens steht noch vor der Tür.
Eine der Töchter ist gerade nach Hause gekommen. Das Fahrrad des Mädchens steht noch vor der Tür. © Lars Heidrich

Die Rolläden sind heruntergelassen, ein großes Metalltor versperrt den Zugang zum Hof. Wer da wohnte, ungefähr, das wussten die Leute seit der ersten Razzia: „Da war doch schon so was vor drei, vier Monaten.“

Es war vor genau drei: Da suchte die Polizei hier Beweise. Beweise dafür, dass dieser Abu Walaa, der eigentlich Ahmad Abdulaziz A. heißt und in Videos niemals sein Gesicht zeigt, tatsächlich so etwas ist wie die „Nummer 1 des IS in Deutschland“.

Abu Walaas Wirkungskreis liegt eigentlich in Hildesheim

Der oberste Terroristen-Unterstützer sozusagen, keiner, der Anschläge verübt, aber einer, der andere radikalisiert, der sie nach Syrien schickt, um dort zu kämpfen. Ein salafistischer Prediger, wie auch Pierre Vogel einer ist, den A. aber hasst und öffentlich dafür verantwortlich macht, dass die Polizei ihm nachstellt.

In Tönisvorst hat der 32-jährige Iraker so etwas wie eine Filiale bei einer seiner Ehefrauen. Eigentlich agiert er in Hildesheim, bei seinem „Deutschsprachigen Islamkreis“. Den beobachtet der Verfassungsschutz schon lange. Und dort finden die Fahnder Abu Walaa am Dienstagmorgen auch, diesmal wollen sie keine Beweise mehr, sie wollen ihn selbst.

Duisburger soll die Essener „Tempelbomber“ ausgebildet haben

Was sie fanden im August, bestätigt Burkhard Freier, oberster Verfassungsschützer in NRW, hat noch nicht gereicht, aber nun haben sie einen lebenden Beweis: Ein 22-Jähriger, womöglich von Abu Walaa rekrutiert, ist reumütig aus Syrien zurückgekehrt. Wie NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung berichten, habe der Mann noch in der Türkei ein Interview gegeben und nach seiner Verhaftung ausgepackt.

Offenbar belastet der Zeuge auch die anderen vier Männer, die am Dienstagmorgen festgenommen werden. Mahmoud O. (27) und Ahmed F. Y. (26) aus Kamerun und Boban S. (36), der Dortmunder, der ebenfalls bereits im August im Visier war, weil er für den IS predigte; und Hasan C. (50), den Betreiber des Duisburger Reisebüros, der im Hinterzimmer unter anderem die beiden Essener „Tempelbomber“ Yussuf T. und Mohammed B. (beide zur Tatzeit 16) ausgebildet haben soll.

Das Netz wollte „möglichst viele dazu bringen, in den Dschihad zu ziehen“

Verführer der „2. Stufe“ nennt Verfassungsschützer Freier sie, die für „pseudoreligiöse Unterweisung“ und sprachliche Vorbereitung auf Syrien zuständig gewesen sein sollen. Nicht in Moscheen würden diese jungen Leute radikalisiert, wie viele glaubten: sondern eben „unter Freunden, in privaten Seminaren oder im Internet“.

Die Botschaft der „geistigen Brandstifter“, wie NRW-Innenminister Ralf Jäger sie gern nennt: „Bei uns bist du wer!“ So habe das Netzwerk „möglichst viele dazu bringen wollen, nach Syrien in den Dschihad zu ziehen“. Mindestens im Fall einer jungen Familie, sagt die Bundesanwaltschaft, sei das gelungen.