Leverkusen. Lkw-Fahrer ärgern sich über die Sperren der A1-Brücke bei Leverkusen. Und Autofahrer schimpfen über Laster, die trotz aller Warnungen hineingeraten.

Von der Böschung aus sieht man ihn schon von weitem. Zügig kommt der Sattelschlepper aus dem süddeutschen Raum die A59 hoch. Doch dann wird er langsamer und langsamer, bis er steht. Mitten auf der Autobahn, linke Spur Richtung Koblenz. Aber der Fahrer will offenbar nach Dortmund. Dafür müsste er die rechte Spur nehmen, müsste über die Rheinbrücke bei Leverkusen. Was verboten ist und von Sperren verhindert wird. Der Trucker überlegt, dann fährt er wieder an, bleibt links. Keine 30 Sekunden hat das alles gedauert, aber der Verkehr hinter dem Laster staut sich bereits auf ein paar hundert Meter. Timo Stoppacher schaut auf seine Uhr. „Dabei dauert es noch eine halbe Stunde bis zur Rush-Hour“, sagt der Sprecher von Straßen NRW.

Der Stau macht sich unabhängig von der „Rush Hour“

Aber was heißt schon „Rush Hour“, hier am Kreuz Leverkusen-West. An einem der verkehrsreichsten deutschen Autobahn-Abschnitte herrscht immer Betrieb. Vor allem auf der Brücke über den Rhein. Beim Bau im Jahre 1965 ausgelegt für 40 000 Fahrzeuge in 24 Stunden, fahren mittlerweile jeden Tag mehr als 120 000 Pkw darüber. Und bis sie gesperrt wurde, kamen täglich auch noch rund 15 000 Lkw dazu. „Das konnte auf Dauer nicht gut gehen“, zeigt sich Stoppacher wenig überrascht von den Rissen in der Stahlkonstruktion der Aufhängung. Um die Schäden nicht zu vergrößern, gab es schon vor Jahren eine Geschwindigkeitsbeschränkung für Pkw und eine Sperrung für Laster. Wer letztere missachtete, musste 150 Euro zahlen. „Trotzdem sind jeden Tag über Hundert Lkw über die Brücke gefahren“, erzählt der Straßen NRW-Sprecher. „Deshalb blieb uns irgendwann gar keine Alternative mehr zu den Sperren.“

Seitdem ist Stau nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Schon weil die Fahrbahnen vor den Sperren schmaler werden, vier Spuren auf zwei schrumpfen und die Geschwindigkeit gedrosselt werden muss. Aber auch weil trotz der vielen Hinweis- und Verbotsschilder immer wieder Lkw- oder Reisebusfahrer versuchen, auf die Brücke zu gelangen. So wie der Mann hinter dem Steuer des Möbelwagens, der geradewegs auf die Sperre zurollt.

Jeder muss auf die Waage

Nun fährt er über eine Waage in der Fahrbahn. Die merkt, dass sein Transporter mehr als 3,5 Tonnen wiegt, schaltet eine Ampel auf Rot, dahinter senkt sich eine Schranke. „Knapp 3500 Mal ist das im ersten Monat seit Inbetriebnahme der vier Sperranlagen passiert“, weiß Stoppacher. Dann geht hinter dem festgesetzten Laster erst einmal gar nichts mehr.

„Es gibt Fahrer, die ewig diskutieren“: Timo Stoppacher, Sprecher von Straßen NRW
„Es gibt Fahrer, die ewig diskutieren“: Timo Stoppacher, Sprecher von Straßen NRW © Lars Heidrich

Die Mitarbeiterin einer privaten Kontrollfirma eilt aus ihrem Häuschen und erklärt dem Trucker, was er falsch gemacht hat, und wie er aus der Sperre wieder herauskommt. Der Mann im Möbelwagen zeigt sich einsichtig. „Es gibt aber auch welche, die ewig diskutieren“ während der Stau hinter ihnen sekündlich länger wird. Zwei Fahrer haben gar nichts gesagt, sondern einfach aufs Gas gedrückt und die Schranke umgefahren. Hat den Weg frei gemacht, wird aber teuer. Denn Kennzeichen und Namen der Unternehmer sind bekannt. „Rechnung kommt“, kündigt Stoppacher an. Wer nichts umfährt, bekommt allerdings auch Post. 150 Euro Strafe werden immer noch fällig für den Versuch auf die Brücke zu gelangen.

Ausnahmen werden nur für Feuerwehr und Abschleppwagen im Einsatz gemacht. Deshalb muss demnächst auch die US Army zahlen. Einer ihrer Schwerlasttransporter hatte sich Ende Oktober in der Speere festgefahren. Die Soldaten legten kurzerhand selbst Hand an, räumten die Barrieren ab, um noch die Notausfahrt nehmen zu können. Nach einer halben Stunde war alles vorbei, sogar die Trennwände waren „perfekt wieder aufgebaut“, wie ein Sprecher der Polizei Köln lobte. Ein Knöllchen gibt es trotzdem.

Wie eine Reifenpanne bei strömendem Regen

Bei Truckern ist die neue Anlage denn auch so willkommen wie eine Reifenpanne bei strömendem Regen. LKW, die von Dortmund kommen, stauen sich auf der A1 oft schon kurz hinter Remscheid. „Alles Mist seit Brücke zu“, sagt ein lettischer Fahrer, der auf einem Rastplatz davor noch mal vollgetankt hat. Und ein deutscher Kollege erklärt auch warum. „Wir warten stundenlang und müssen dann große Umwege machen, um die gesperrte Brücke zu umfahren. Das kostet unsere Chefs richtig Geld.“

Das wird sich so schnell auch nicht ändern. Vor 2020 wird die neue Brücke nicht fertig. Bis dahin, glauben die Experten von Straßen NRW, werde die alte Überquerung wohl halten. Falls es aber trotz der ausgesperrten LKW zu neuen, nicht mehr reparablen Rissen kommt, werde man keine Kompromisse in Sachen Sicherheit machen. Im schlimmsten Fall, sagt Stoppacher, mache man die Brücke ganz dicht. Mehr als 120 000 Autos jeden Tag umleiten. Der Sprecher zuckt mit den Schultern: „Vorstellen wollen wir uns das alle nicht.“