Ruhrgebiet. . Immer häufiger können Filialen der Postbank den Betrieb nicht aufrecht erhalten. Die Gewerkschaft vermutet: Die Bank hat zu viel Personal eingespart.
Die ältere Dame richtet ihre Brille, liest angestrengt und schüttelt den Kopf. Der handgeschriebene Zettel, der an der verschlossenen Tür ihrer Postbank-Filiale in Essen-Kettwig klebt, will ihr erklären, warum sie den Weg umsonst gemacht hat: „Betriebsbedingt heute geschlossen“, steht da. Sie versteht es trotzdem nicht wirklich. Und damit ist sie nicht allein, nicht in Kettwig und erst recht nicht im Ruhrgebiet.
Filialen blieben ohne Vorwarnung geschlossen
Vor kurzerhand verschlossenen Türen standen in den vergangenen Tagen und Wochen etliche Postbank-Kunden. Weil vielerorts Postbank und Post sich die Räume teilen, nimmt so mancher sein Paket, das er aufgeben wollte, wieder mit nach Hause. Oder bekommt ein angeliefertes nicht ausgehändigt.
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Filialen in mehreren Essener Stadtteilen, in Herne, Velbert, Herten und Oberhausen machten tageweise oder am Nachmittag einfach früher dicht. Mal sind es eilig beschriebene Pappen, mal schlichte Computerausdrucke mit diversen Erklärungen. In Oberhausen hieß es unlängst: „Wegen Krankheit geschlossen.“
Was seit dem Sommer so geht, nimmt der Gewerkschaft Verdi zufolge seit geraumer Zeit spürbar zu. Dass sie aus Personalmangel immer wieder ganze Filialen schließen muss, räumt die Postbank auf WAZ-Anfrage auch ein. In den vergangenen Wochen sei das „immer wieder einmal der Fall“, so ein Postbank-Sprecher.
"Temporäre Schließungen wegen Krankheit und Urlaub"
Das klingt freilich schon nach einfachster Recherche etwas untertrieben: Wanne-Eickel, Castrop-Rauxel, Neukirchen-Vluyn, Heiligenhaus. Oder Hattersheim, wo die Geschichte des Andreas L. spielt: Er bekam eine Mail, dass ein Paket in der Filiale auf ihn warte. Nur die Filiale wartete nicht auf ihn: Kam L. hin, war garantiert zu. „Irgendwann hört es auch mal auf.“
Der Umbau von Filialen könne ein Grund für Schließungen sein, so die Postbank. „Aber auch krankheits- und urlaubsbedingt kann es zu temporären Schließungen kommen“, und zwar „nicht zuletzt aufgrund des Vier-Augen-Prinzips, das für den Betrieb einer Postbank-Filiale vorgeschrieben ist“.
Anders ausgedrückt: Die Postbank hat offensichtlich nicht mehr genügend Personal, um den Betrieb jeder Filiale sichern zu können. Verdi sieht die Ursache in überzogenem Stellenabbau. Die Postbank habe zu Jahresbeginn „nahezu 600 Vollzeitkräfte“ eingespart – laut Verdi zu viele, um die noch rund 1000 Zweigstellen verlässlich weiterführen zu können. Die Beschwerden von Kunden, die vor verschlossenen Türen standen, nähmen „spürbar zu“.
„Was sich abspielt, spottet jeder Beschreibung“
So in Essen-Holsterhausen, wo nach mehreren Spontanschließungen „sich sehr viele und äußerst verärgerte Kunden sammelten“, so ein Augenzeuge. So in Wanne-Eickel, wo eine Nachbarin sagt: „Was sich seit diesem Sommer abspielt, spottet jeder Beschreibung.“ Wenn sie eine lange Schlange vor der Hauptpost sah, die der Postbank gehört, wusste sie: Wenigstens ist nicht geschlossen. Von der Bank kam dazu eine Erfolgsmeldung von besonders trauriger Gestalt: „Wir konnten in der Filiale . . . Mittwoch, Donnerstag und Freitag wenigstens halbtags öffnen.“
„Es handelt sich nicht mehr nur um Einzelfälle, sondern um gravierende Betriebseinschränkungen aufgrund eines strukturellen Personaldefizits“, kritisiert Verdi-Bundesvorstand Christoph Meister.
Wie alle großen deutschen Geldhäuser fährt auch die Postbank seit Jahren einen harten Sparkurs, hat seit der Finanzkrise bereits rund 3500 Stellen abgebaut. Und damit übertrieben, wie Verdi meint. Folgen für die verbliebenen Kollegen seien eine sehr hohe Krankenquote und die steigende Zahl der Langzeiterkrankten. Und in letzter Konsequenz nun eben Schließungen.
Die Frage, ob die Kunden nicht wenigstens gewarnt werden könnten, wurde vom Postbank-Sprecher verneint. „Leider gibt es keine Möglichkeit der Vorabinformation unserer Kunden, etwa über unsere Website postbank.de“, erklärte er.
Es bleibt also bei den lapidaren Zetteln im Fenster. Standardfloskel: „Danke für Ihr Verständnis.“ Ein verhinderter Kunde hat danebengeschrieben: „Habe kein Verständnis. Schließen Sie die Filiale doch ganz, dann werde ich nicht immer wieder enttäuscht.“