Oberhausen. . Seit 20 Jahren zieht das Centro neben Besuchern auch Kritik und Bewunderung an. Die Stadt wagte damals ein kühnes Experiment - und zahlte ihren Preis.

Als vor 20 Jahren die Operation Centro begann, besang der Bergmannchor die Eröffnung der fremden Glitzerwelt. So viele Menschen drängten sich in das größte Einkaufszentrum Europas, dass Geschäftsführer Michael Grundmann zwischenzeitlich die Mall schließen ließ: „Die Menschen drohten durch die Schaufensterscheiben gedrückt zu werden.“ Ja, bei McDonald’s waren die Hamburger ausverkauft!

Das Centro war und ist nicht einfach nur ein Einkaufszentrum. Solch eine Operation hatte noch niemand versucht: einer kranken Stadt ein künstliches neues Herz einzusetzen. Nach zwanzig Jahren muss man feststellen: Ökonomisch war das Centro wohl ein Gewinn. Der Koloss zieht jedes Jahr etwa 23 Millionen Besucher an – konstant, trotz Onlinekonkurrenz; die Hälfte der Besucher reist von außerhalb der Region an. „Die Kombination aus Freizeit, Unterhaltung und Einkauf war damals neu“, sagt der jetzige Centro-Chef Marcus Remark, „und auch heute ist sie europaweit sehr, sehr selten.“

Apple, Mango, Blue Tomato - aber keinen Lebensmittelladen

Andererseits kann man im Centro nicht mal einen Apfel kaufen. Es gibt Apple, Mango und Blue Tomato (ein Skateshop). Aber keinen Lebensmittelladen. 250 Geschäfte, und fast jedes zehnte verkauft Schuhe! Das Centro ist ausgerichtet auf „Einkaufstouristen“, es bietet Waren an, für die sich eine weite Anreise lohnt. Das alte Stadtzentrum um die Marktstraße dagegen: Texas-Spielhalle und textiler Ausverkauf, Backshops und Brillengestelle. Magic Nails, Pretty Nails, Star Nails. Dazwischen Eiscafés. Vier Kilometer ist der Einzugsradius. Man konkurriert schon lange nicht mehr mit der Neuen Mitte.

Diese in Deutschland wohl einzigartige Aufgabenteilung hat Oberhausen mit seiner Urbanität bezahlt. Denn keines der beiden Biotope – hier die Welt der Filialen, dort die Billigheimer – bietet ausreichend Nischen für individuelle Läden. Das Ungeplante gewachsener Städte findet hier keinen Platz und dort keinen Resonanzraum.

"Was kann Politik schon tun?"

Freilich ging es mit der Marktstraße schon vor dem Centro bergab. Sagen etwa die Alt-Oberbürgermeister Burkhard Drescher und Friedhelm van den Mond. Letzterer fragt: „Was kann Politik schon tun?“ Oberhausen sei mal die Stadt mit den meisten Möbelgeschäften gewesen. Verschwunden, konzentriert zu wenigen riesigen Häusern, ohne Zutun der Politik.

Das Centro ist noch immer das größte Einkaufszentrum Deutschlands, aber die anderen Städte kleckern auch nicht. Seit 1996 hat sich der Anteil der Center an der Gesamtfläche des Einzelhandels im Ruhrgebiet mehr als verdoppelt, das Centro selbst hat ja zweimal in dieser Zeit erweitert – die Nachbarstädte liefen Sturm. Heute folgen sie weitgehend der Diktion der Sieger. Der Bessere möge gewinnen. Und wenn das Centro so viele Besucher von außerhalb zieht, nutze das auch der Region. Remark: „Wenn sich Städte intensiver um Angebote und Aufenthaltsqualität bemühen müssen, dann ist das eine Chance.“ Bottrops Stadtsprecher Andreas Pläsken: „Es ist eine Herausforderung, die wir angenommen haben mit einer kompletten Erneuerung der City.“

Was das Centro der Stadt Oberhausen bringt: 84,9 Millionen Euro Gewerbesteuern erwartet die Stadt aktuell - fast eine Verdopplung seit 1994. 4500 Arbeitsplätze sind im Centro entstanden, drumherum noch einmal 5000 bis 7000. Im Tourismus profitieren 9000 Beschäftigte. Zudem zählt die Stadt 446.000 Übernachtungen - fast zehnmal mehr als 1994.

Auch das Centro steht unter Druck

Auch das Centro steht natürlich unter Druck. Der Online-Handel, die Nachbar-Center – und die Zeit: Man sieht ihre Spuren in den Ecken und Kanten der Gastro-Promenade, fast vermitteln sie ein Gefühl des Gewachsen-Seins. Glitzerwelt würde heute keiner mehr sagen – so sehr haben wir uns an diese Architektur, an diese Kultur gewöhnt. An dieses entspannte, überdachte, saubere und störungsfreie Einkaufserlebnis, das für sich genommen fast nur Vorteile bietet.

Gut, der Geräuschpegel und die Architektur der Coca-Cola-Oase wollen nicht ganz dazu passen, die Palmen in diesem Pommes-Pantheon – „überholt“ findet das Management selbst. Remark will die Oase umbauen, loungiger machen. Will die Kinderbetreuung wieder einführen, einen neuen Spielplatz bauen, Plätze für Laptop-Arbeiter schaffen, freies WLAN anbieten. „Unser Konzept, Unterhaltung, Essen und Einkauf zusammenzubringen, wird überleben“, sagt Remark, „weil sich Menschen auch künftig gerne treffen wollen.