Elfer-Drama gegen Italien – Revier feiert „Wahnsinnskrimi“
•
Lesezeit: 3 Minuten
Ruhrgebiet. . Beim Sieg der DFB-Elf im Viertelfinale gegen Italien kommt so langsam Stimmung auf im Lande. Inzwischen gibt es auch wieder ein Orakel namens Paul.
Nichts ist so leer wie das Public-Viewing-Gelände am Tag danach. Der Müll aus der Nacht ist bereits abgeräumt, und einzig die stellenweise zertrampelten Wiesen hinter der Jahrhunderthalle zeugen noch vom Fest. An der Halle hängt ein Plakat, das die Ruhr-Triennale bewirbt. „Tanzen: nicht schlafen.“ Beschreibt eigentlich aber auch ganz gut, was am Wochenende geschah.
Das halbe Ruhrgebiet läuft da geschmückt herum – irgendwas mit schwarz-rot-gold. Der Friedensplatz in Dortmund, der Westpark in Bochum, der Kennedyplatz in Essen, der Rathausplatz in Recklinghausen, große Übertragungsorte alle, füllen sich am Samstagabend erstmals während dieser EM halbwegs. „Deutlich mehr geworden, aber auch weit entfernt von früheren Turnieren“, sagt ein Beobachter. Und dann dieses Beinah-End-Spiel für Deutschland. Meistgehörtes Wort: „Zäh!“ Später: „Wahnsinn.“ Dann kommen Szenen dem nah, was man als Reporter niemals schreiben sollte: „Unbeschreibliche Szenen.“ Der Rest ist Korso.
Ein Trikot mit ,Deutschland’ und ,Italia’
Am Sonntag ist die Polizei voll des Lobes über diese Fans. „Die Duisburger haben sich vorbildlich verhalten“, sagt die Duisburger. „Überall in der Stadt wurde ein friedliches Fußballfest gefeiert“, sagt die Essener. Andere Präsidien: sagen das auch. Aus ein paar Rangeleien und Beleidigungen ragen zwei Geschehnisse heraus: In Gelsenkirchen musste die Polizei nach dem Abpfiff eine Gruppe zerstreuen, aus deren Mitte heraus Knaller geworfen wurden. Und der Preis für die dümmste Idee geht diesmal an einen Fußballfan in Dorsten. Er trat gegen den Außenspiegel eines Streifenwagens.
Freuen oder freuen? Das ist die wirklich schwierige Frage, die sich am Sonntag Amie Vigna in Kamp-Lintfort stellt – die Achtjährige hat eine deutsche Mutter, einen italienischen Vater, beide Staatsbürgerschaften und zwei Fußballherzen. „Sie war schon ein wenig enttäuscht, ist aber froh, dass eine ihrer beiden Mannschaften weiter dabei ist“, sagt ihre Mutter Kim. Ihre Ehe hat der Fußballabend nicht entzweien können. Kim Vigna hat sogar ein Trikot, auf dem steht vorne „Deutschland“ und hinten „Italia“. Nur bei dem Hund der Familie ist die Sache eindeutig: Das gute Tier heißt „Juve“.
„Ich habe gebetet“
Was soll man da sagen? Zu einem Duell mit 19 Elfmetern? „Ich habe gebetet, und dabei bin ich nicht einmal gläubig“, sagt Kai aus Witten. „Mein Herz wollte zerspringen“, sagt Hui aus Bochum. „Der eine oder andere hat mal kurz vor dem Herzinfarkt gestanden,“ sagt Urs in Frankfurt. „Ich kann nicht mehr“, sagen alle. Und dann rufen Menschen auch erstmals wieder ein Wort aus alten Zeiten, rhythmisch, laut: „Schland!“ Ein Kollege schickt am Sonntag eine Nachricht mit Augenzwinkern: „Ist das Spiel schon aus?“
Am nächsten Mittwoch muss Paul, der Pinguin, wieder ran: Er arbeitet nämlich im Bochumer Tierpark als Orakel. Dessen Leiter Ralf Slabik schwört, dass der „handaufgezogene Humboldtpinguin“ Paul wirklich so heißt: rein zufällig wie Paul, der große alte Krake der Tierprophetie, das Orakel von Oberhausen 2010.
Empfehlung für Donnerstag
Paul, der Pinguin ist jedenfalls mit seiner ersten Vorhersage in dessen hellsichtige Fußstapfen getreten: Er hat das Italien-Spiel korrekt geweissagt. Er fraß die Fische aus einer Schale, die auf der Deutschland-Flagge stand, watschelte dann zur italienischen und schüttelte dort nur den Kopf, ohne ein Wort zu sagen.
Donnerstag ist schließlich das nächste Spiel. Zu empfehlen wäre auf jeden Fall: „Tanzen: nicht schlafen.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.