Leverkusen. Von Leverkusen aus steuern sie die Autobahnen im Ruhrgebiet. Unfall, Stau, Berufsverkehr – die Mitarbeiter von Straßen NRW müssen reagieren.
Die A 40 ist gelb-rot. André Füchtler blickt konzentriert auf die zwölf Bildschirme über seinem Schreibtisch – sie zeigen farbige Linien wie ein U-Bahn-Plan. Dazu eine Liste mit Staumeldungen. Es ist viel los, Berufsverkehr. Von Leverkusen aus lenken der Düsseldorfer und seine Kollegen die Pendler auf den Autobahnen des Landes. Sie geben etwa das Signal, wenn die elektronischen Schilder über der A 40 in Essen-Frillendorf Tempo 80 zeigen sollen. Das machen sie 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Den Verkehr beobachten die Operatoren – wie sie sich nennen – auf ihren Schirmen: Je grüner, umso schneller.
Die A40 – Verkehrslenker wie Autofahrer sehen rot bei Stau
Das Telefon klingelt, die Polizei: Unfall am Stauende, wieder einmal die A 40, diesmal bei Kray. In der Verkehrszentrale NRW steuert André Füchtler an diesem Morgen den Verkehr im Ruhrgebiet. Der 36-Jährige klickt sich durchs System. Und zaubert das gefürchtete rote Dreieck mit Ausrufezeichen auf die Schilderbrücken über der Bahn: Achtung Unfall! Hunderte Autofahrer beißen ins Lenkrad. Auch Füchtler bietet sich das bekannte Bild: Die A 40 ist nun rot.
Das Radio dudelt, die Klimaanlage säuselt, Blechlawinen wälzen sich über Bildschirme. Die Kameras zeigen: Autobahn in Endlosschleife. Kreuz Köln-Nord: Ein Holzlaster quetscht sich zwischen zwei Kleinwagen. Ein Sportwagen rast am Stau vorbei. Unfälle sehen die Verkehrslenker nur selten. „So viele Kameras haben wir nicht“, sagt Abteilungsleiter Ingo Menzel.
So war eine kuriose Beobachtung im Spätdienst nur Zufall: Auf einmal stockt der Feierabendverkehr. Die Kameras zeigen Bremslichter. Ein Mann steigt aus und bückt sich, mitten auf der Fahrbahn. Er will eine Entenfamilie retten, trägt die Tiere von der Straße. „Lebensgefährlich, aber es ist ja gut gegangen“, sagt André Füchtler, der alles vom Schreibtisch aus beobachtet hat. Eine Ausnahme im manchmal öden Arbeitsalltag.
NRW ist klar aufgeteilt. Vier Schreibtische: Ruhrgebiet, Westfalen, Kölner Ring und „restliches Rheinland“. Kaffee für den Mann vom Kölner Ring. Die Frühschicht beginnt um sechs. Um 14 Uhr ist Feierabend. Berufsverkehr ist Stress – auch in dem engen Raum mit dem grellen Computer-Licht. Ein weiterer Schreibtisch in der Mitte. Von hier steuern die Mitarbeiter die Tafeln mit Umleitungsempfehlungen. Ihre Hinweise schreiben sie komplett manuell. „Rechtschreibfehler kommen in der Hektik vor“, sagt Schichtleiter Jens Scheifgen. Heiratsanträge oder Grüße an die Verwandtschaft seien „technisch möglich“. Erlaubt sind sie nicht. Gesetze.
Die „normalen“ Schilderbrücken zählen jede Minute die Autos, die unter ihnen herfahren. Die Verkehrslenker aus Leverkusen sehen die Zahlen auf dem Bildschirm. Wie viele, wie schnell? In Bochum-Werne sind es an diesem Morgen 24 Autos und neun Laster in 60 Sekunden. Durchschnittsgeschwindigkeit: 48 Stundenkilometer. Zu langsam, auf der Schilderbrücke leuchtet in der Folge eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf. „Das verhindert Stau“, sagt Ingo Menzel. Und geht ganz automatisch. Manchmal warnt eine der 520 „Streckenbeeinflussungsanlagen“ im Land allerdings auch, wenn gar nichts ist. Vor Nebel, weil ein Acker zu sehr staubt. Vor Stau, weil eine Spinne vor dem Sensor hängt. Vor einer Baustelle, die längst wieder weg ist. Alles schon vorgekommen. Die Technik sei „nicht fehlerfrei“ und staufrei werde NRW damit auch nicht. Das sei „unrealistisch“, heißt es. Nichtsdestotrotz will das Land sie ausbauen, optimieren.
Eine neue Meldung, ein neuer Stau
Das Radio ist jetzt still. Die Männer reden nicht viel. Nur das Klicken ihrer Computermäuse unterbricht die Stille. Plötzlich ein lautes Hupen – vom Computer. Bei André Füchtler poppt eine neue Meldung auf. Die Polizei hat etwas geschickt. Fünf Kilometer Stau in Bochum. Das hatte der Verkehrslenker selbstverständlich schon gesehen ... und die Autofahrer vor Ort ausgebremst. Das Telefon klingelt wieder. Die Autobahnmeisterei Recklinghausen kündigt Arbeiten an. Dafür stellen die Kollegen den Schilderbrücken den Strom ab. „Dann hab’ ich wohl Feierabend“, sagt André Füchtler und lehnt sich im Schreibtischstuhl zurück. Im Ruhrgebiet läuft es gerade auch ohne ihn. Die A 40 ist grün.