Ruhrgebiet. .

84 Stundenkilometer bei Tempo 50, 63 bei Tempo 30, 179 bei Tempo 100 (das aber ohne Führerschein) und 69 bei Tempo 50 (das noch dazu unter Drogen): Das sind die Geschichten, die nach dem Blitzmarathon gern erzählt werden, weil sie entsetzt machen oder wahlweise schadenfroh. Oder solche wie die der beiden Linienbusse in Hagen, deren Fahrer nun extra teure Knöllchen bekommen, weil die Passagiere nie angeschnallt sind und deshalb besonders schützenswert. Oder die des Lkw-Fahrers in Mönchengladbach, dessen Kollegen ihn just via Handy vor den Kontrolleuren warnten, als die ihn bereits stoppten.

In 20 Ländern Europas wollte die Polizei am Donnerstag Verkehrssünder blitzen, in Deutschland hatten acht Bundesländer allerdings abgesagt: Sie kritisieren den hohen Personalaufwand, ziehen den Effekt in Zweifel. Der CDU-Innenexperte im NRW-Landtag, der ehemalige Polizist Werner Lohn, sagte, die Ordnungshüter hätten angesichts von Terrorgefahr, Rekord-Einbruchszahlen und zahlreichen Großveranstaltungen „schlicht Besseres zu tun“. Die FDP-Landtagsfraktion verbreitete im Internet den Aufruf: „Heute die Wohnung besser doppelt verriegeln! Die Polizei muss für Minister Jäger PR-Fotos machen.“ Der so Kritisierte wehrte sich: „Wer behauptet, das sei reine Abzocke und ein PR-Gag“, sagte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittag in Düsseldorf, „der hat sich noch nie ernsthaft mit den dramatischen Folgen schwerer Verkehrsunfälle auseinandergesetzt.“

In NRW waren gestern zwischen 6 und 22 Uhr rund 2200 Polizisten im Einsatz, „überwiegend aus den Verkehrsdirektionen“, wie das Innenministerium erklärte. 1850 Kontrollstellen der Landespolizei und 760 „Blitzer“ der Kommunen wurden eingerichtet und vorab bekannt gegeben.

Damit wurde der Blitzmarathon erstmals abgespeckt: Vor genau einem Jahr kontrollierten noch 2600 Polizisten volle 24 Stunden die Geschwindigkeit, darunter auch Hundertschaftsbeamte. Sie hatten am Ende 775 000 Autofahrer ins Visier genommen, gut 22 000 waren zu schnell. Das sind mit knapp drei Prozent weniger als an „normalen“ Tagen, an denen die Verkehrsteilnehmer nicht vorgewarnt sind. Die Lieblingsausrede der trotzdem Erwischten gestern: „Ich hatte es eilig.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte den verringerten Aufwand. Landeschef Arnold Plic­kert sprach von einem „Blitzer-Halbmarathon“. Es sei wichtig, dass durch die Aktion „keine einzige Überstunde mehr“ angehäuft werde. Der Blitzermarathon sei „Alltagsgeschäft – nur mit viel mehr Tamtam“.