Essen. .

Die Aufnahme mit den indischen Klängen, nachzuhören auf „Youtube“, dauert 16 Sekunden, der gewaltige Knall, er kommt in Sekunde 6: Die Musik erstirbt, Stimmengewirr. „Eine Bombe!“ sagt eine Frau. Ein Mann widerspricht: „Nein!“

Eher doch: Zwar mag die Polizei noch keine Details zu dem Sprengsatz sagen, der da Samstagabend am Eingang eines Sikh-Tempels in einem Gewerbegebiet nördlich der Essener Innenstadt explodierte, „aus ermittlungstaktischen Gründen“, wie es heißt. Doch dass es ein Anschlag war, steht fest; und der Umstand, dass die Polizei bislang „keine Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund“ erkennen kann, vermag die Gemeinde nur wenig zu beruhigen: Aufgebracht diskutieren sie vor ihrem Tempel, der Gemeindepräsident ist aufgewühlt, mag den Journalisten erst einmal nicht Rede und Antwort stehen. Derweil sagt die Polizei den Satz, der alles und nichts bedeuten kann: „Wir ermitteln in alle Richtungen.“

Drei Menschen sind bei der Explosion zu Schaden gekommen, zwei Männer im Alter von 47 und 56 Jahren tragen leichte Blessuren davon, ein Priester (60) jedoch wird am Bein schwer verletzt.

Gegen 19 Uhr hatte die Explosion den Eingang des Gebetssaals erschüttert: Scheiben barsten, die Türkonstruktion wurde aus den Angeln gehoben, Teile der Schieferfassade wurden weggerissen. Nur Stunden zuvor hätte die Wucht dieser Explosion katastrophale Ausmaße annehmen können, denn in dem Festsaal feierten rund 200 Gäste eine Hochzeit. Zum Zeitpunkt des Anschlags allerdings waren nur noch wenige Gäste unten im Saal, während einige Kinder im Obergeschoss des Gebäudes am Musikunterricht teilnahmen.

Herbeigeeilte Zeugen aus der Gemeinde wollen einen maskierten Mann gesehen haben, der einen Sprengkörper in den Eingangsbereich geschleudert habe, anschließend flüchtete. Tatsächlich kann später nicht weit vom Tatort eine Maske sichergestellt werden. Sie wird kriminaltechnisch auf DNA-Spuren untersucht.

Dagegen erweist sich der Hinweis auf drei Personen, deren Auto in der Nähe des Tatortes gesehen worden war, als falsche Spur: Drei Insassen, die die Polizei am Abend vorläufig festgenommen hat, werden nur wenig später wieder freigelassen.

Der Anschlag, er hat nicht nur die Ruhrgebietsgemeinde der bundesweit 13 000 Sikh in Aufruhr versetzt, sondern durch die schnelle Verbreitung von Fotos und Filmen übers Internet weltweit Echo ausgelöst: Essens Polizei erhielt gestern Anfragen auch aus Neu Delhi.

Indiens Generalkonsul eilt nach Essen

Am Sonntag kam Indiens Generalkonsul Raveesh Kumar von Frankfurt nach Essen, um mit Oberbürgermeister Thomas Kufen und Polizeipräsident Frank Richter den Anschlag zu erörtern. Danach besuchten OB und Konsul die Gemeinde. Einstweilen stehen der Sikh-Tempel wie auch der Gemeindepräsident persönlich unter Polizeischutz.