Bochum. Das Justizministerium will nahe der JVA "Krümmede" eine sozialtherapeutische Anstalt errichten. Dafür sollen 68 Dienstwohnungen abgerissen werden. Die Stadt Bochum erfuhr erst am Dienstag davon.
Die Häusergruppe wirkt gepflegt, umgeben von viel Grün und sauberen Wegen. Ein Bolzplatz gehört dazu, auch ein Kinderspielplatz. Einige der Gebäude stammen noch aus dem Jahr 1898, andere aus den 70er Jahren. In den 68 Wohnungen wohnen etliche Familien von JVA-Mitarbeitern, denn ihr Arbeitgeber, das Gefängnis "Krümmede", liegt gleich nebenan. Am Dienstag wurden die 160 Menschen, die in der Siedlung wohnen, unter ihnen 45 Kinder, von drei Vertretern des Justizministerums des Landes darüber informiert, dass Pläne bestehen, alle Wohnhäuser abzureißen, um am gleichen Ort eine sozialtherapeutische Anstalt für Sexual- und Gewaltstraftäter zu errichten, mit 80 Haftplätzen.
Das hat bei den Bewohnern, darunter auch Polizisten und Pensionäre, einen Schock ausgelöst. Nach dem bisher angedachten Zeitplan müssten sie schon im nächsten Jahr ausziehen, doch viele Familien haben sich darauf eingerichtet, hier ihren Lebensabend verbringen zu können. "Ich wohne hier seit 29 Jahren, hier habe ich meine Kinder großgezogen," schildert Rolf Lensing, Leiter des allgemeinen Vollzugsdienstes der "Krümmede". Als man von den Plänen erfahren habe, sei der "Aufstand ziemlich groß" gewesen, sagt Fatima Kobinger, die gerade Hund "Trixie" ausführt.
Wohnsituation praktisch für Notfälle
Die Nähe des "Dienstwohnungsbereichs" sei auch sehr praktisch, erinnert Lensing. Als im März, am "blutigen Sonntag", Häftlinge bei ihrer Flucht mit schweren Verletzungen im Stacheldrahtverhau hingen, seien im Nu dreißig JVA-Mitarbeiter aus ihren Wohnungen zur "Krümmede" gelaufen und hätten eingreifen können. Für solche Fälle hängen in den Fluren der Dienstwohnungen Glocken, die per Knopfdruck vom Gefängnis aus betätigt werden.
Ganz andere Alarmglocken klingelten bei der Stadt und bei den Parteien. Eine Stunde, bevor die JVA-Bediensteten davon erfuhren, waren die Ministerialbeamten auch bei Stadtrat Paul Aschenbrenner. Er habe die Nachricht "mit Überraschung zur Kenntnis genommen und alle Fraktionen informiert". Jetzt werde die Stadt prüfen, ob eine "Umnutzung baurechtlich zulässig ist und ob andere Interessen dagegen stehen." CDU-Fraktionssprecher Roland Mitschke weist darauf hin, dass die Auflösung der Mietverhältnisse so einfach nicht so machen sei. Er habe daher keine Sorgen, dass "die Interessen der Mieter auf der Strecke bleiben".
Die SPD sei empört über diesen Plan der Landesregierung, erklärte SPD-Fraktionsvize Hermann Päuser: Die geplante Anstalt passe nicht ins Umfeld von Stadion, RuhrCongress, Starlight und Renaissance-Hotel. Ulrich Hermanski, Sprecher des NRW-Justizministeriums, bemerkt dazu, von den 68 Wohnungen seien nur 26 Dienstwohnungen: "Die werden hoch bezuschusst - mit 30 000 Euro pro Monat."