Ruhrgebiet. . Im Ruhrgebiet eröffnet der Budenzauber am heutigen Donnerstag. Die Schausteller fürchten eher Taschendiebe und ausbleibendes Publikum als Terror.

Weihnachtsmärkte waren bislang keine Orte zum Fürchten. Und falls jemand Angst hatte, dann vielleicht vor Taschendieben. Deshalb war die Polizei präsent, deshalb warnte sie: Passt auf! Doch mit Paris und nach Hannover gerät der Budenzauber in den Blickpunkt – in seiner Eigenschaft als Menschenansammlung.

„Christkindl-Markt rüstet auf“, titelte am Mittwoch eine bayerische Zeitung. Einzelne Bundesländer kündigten an, die Polizei werde die Weihnachtsmärkte nun besonders beobachten. „Vor dem Hintergrund einer abstrakt hohen islamistischen Bedrohungslage“, formulierte Frankfurts Polizeisprecher Alexander Kießling, „sind öffentliche Veranstaltungen grundsätzlich gefährdet.“ Die hessische Landeshauptstadt richtet erstmals eine Lautsprecheranlage ein, um Besucher zu informieren, schickt zusätzliche Zivilstreifen.

Schausteller bleiben gelassen, fürchten aber um den Umsatz

Im Ruhrgebiet öffnen die meisten Märkte heute – ihre Betreiber bleiben gelassen. Das Sicherheitsnetz sei ohnehin eng, heißt es: Essen, Duisburg, das Sauerland, auch Köln und Münster wollen nichts ändern. Dortmund hat schon fünf Jahre ein strenges Sicherheitskonzept: 2010 hatten US-Geheimdienste Terrorwarnungen für den größten Weihnachtsmarkt des Landes herausgegeben. Passiert ist nichts, die Personalstärke jedoch blieb seither hoch. Polizei in Uniform und Zivil, private Dienste und das Ordnungsamt patrouillieren. „Absolute Sicherheit“, räumt Sprecher Thomas Winkler ein, „gibt es nicht. Aber schwer bewaffnete Polizisten mit Maschinenpistolen wollen wir auch nicht.“

Dortmunds oberster Marktbeschicker und Präsident des Bundesverbands Deutscher Schausteller, Hans-Peter Arens, spricht zwar über ein „diffuses Unwohlsein“, sagt aber mit unerschütterlichem Humor: „Ich kauf’ mir jetzt keine Kalaschnikow.“ Man habe Stürme erlebt und Hochwasser, die Großeltern hätten „auch im Bombenkrieg Kirmes gemacht“. So einen kann vielleicht nicht viel erschüttern, und doch: Die Schausteller, die allerorten „sensibilisiert“ sind, fürchten Umsatzeinbußen. „Ich weiß nicht, wie unser Publikum reagiert.“ Wenn das ausbleibe, könne die Branche das „nicht verkraften“.

Und es sind ja nicht nur die Weihnachtsmärkte. Auch für die Einzelhändler bricht die umsatzstärkste Zeit des Jahres an. „Natürlich werden wir versuchen, vorweihnachtliche Stimmung in die Herzen der Menschen zu zaubern“, sagt Anne Linnenbrügger-Schauer vom Handelsverband NRW. Wie gut das klappt, weiß allerdings niemand. „Es wird bestimmt einige geben, die in der derzeitigen Situation lieber zu Hause bleiben.“ Schließlich ist ein Besuch in den Einkaufspassagen keine Pflicht mehr, um den Gabentisch zu füllen. Nahezu jedes Geschenk lässt sich auch im Internet bestellen und nach Hause liefern. „Man muss abwarten“, sagt Linnenbrügger-Schauer, belastbare Prognosen seien unmöglich.

Noch aber wollen die Bürger eher nicht zuhause bleiben. „Man fühlt sich nicht sicher“, sagt eine Passantin in Berlin, „aber was soll man machen?“ Seinem neunjährigen Sohn hat Walter Gildersleeve gesagt: „Ein Autounfall ist wahrscheinlicher als ein terroristischer Anschlag.“ Und eine Marktleiterin hofft immer noch, „dass Deutschland nicht so im Fokus der Terroristen steht wie andere Länder“.

Taschendiebe indes sollten nicht glauben, dass dies ihre Saison wird, weil die Fahnder Wichtigeres zu tun haben. „Letztlich“, warnt eine Polizeisprecherin, „haben wir auf alles ein Auge.“ Was „alles“ ist, präzisiert der Chef eines Weihnachtsmarktes in Süddeutschland: „Pöbeleien, Taschendiebe und die Wahnsinnigen dieser Welt.“