Eine algenähnliche Pflanze namens "Elodea" durchwuchert die Seen des Ruhrgebiets.Das ist schlimm, sagen Segler, Kanuten, Angler, besorgte Bürger. Ist es nicht, sagen Ökologen. Alle haben Recht
Essen. Seit Jahren leuchten Harkort-, Hengstey- und Kemnader Stausee im Sommer grün. Sie sind über weite Teile zugewuchert. Schuld ist eine Wasserpflanze, die einer Alge ähnelt, sie heißt "Elodea". Das klingt vornehm und nach zarter Blüte, fast wie eine Hautcreme. Dass die Leute lieber "Wasserpest" sagen, spricht Bände.
Der Kampf gegen die Wasserpest ist fürs Erste verloren: Das hat jetzt ein äußerst gründlich gearbeitetes Gutachten des Ruhrverbandes ermittelt. Das Schriftstück hat rund 400 Seiten, wiegt geschätzte vier Kilo und kostete eigenen Angaben zufolge 1,4 Millionen Euro. Das Ergebnis ist überaus handlich. Es lautet: Ein bezahlbares Gegenmittel, das keine größeren Schäden verursacht, gibt es nicht. Man kann nichts tun.
Im Jahr 2000 schwamm die "Elodea" erstmals im Harkortsee, der zwischen Hagen, Herdecke und Wetter liegt. Im Jahr darauf waren zum ersten Mal der Hengsteysee nahe Dortmund und der Kemnader Stausee in Bochum betroffen.
Die Wasserpest sieht hässlich aus. Bürger fragen immer wieder bei den Behörden nach, ob mit den Seen alles in Ordnung ist. Und den Sportlern macht die "Elodea" das Leben schwer: In Bochum hagelte es im Juni während der 56. Internationalen Kanuregatta Beschwerden von Teilnehmern - die Pflanzen verfingen sich an Booten und Rudern. Zuvor waren auch schon mal ganze Wettbewerbe vorsichtshalber abgesagt worden.
In Dortmund hat die "Seglergemeinschaft Hengsteysee" ihre Jugend in diesem Jahr zum Training nach Holland geschickt, aufs Heger Meer, weil Segeln daheim nicht mehr geht. Und in Essen ist vergangenes Wochenende die "50. Segelwoche" gestartet, eine Veranstaltung mit Tradition. Man sorgt sich, es könnte die letzte sein. Die Wasserpest ist jetzt auch im Baldeneysee.
"Wir zahlen Gebühr für Boots-Liegeplätze an einem Revier, das es nicht mehr gibt", sagt Rainer Fechte-Heinen, Vorsitzender des Segelvereins Witten-Kemnade. "Früher dauerte die Segelsaison von April bis November. Jetzt ist der See ab Juni dicht."
Die "Elodea" wächst vom Boden bis zur Wasseroberfläche. Im Winter stirbt ein Großteil der Äste ab, doch die Pflanze überlebt. Im nächsten Frühjahr wuchert sie dann wieder. 2005 kaufte der Ruhrverband ein "Mäh-Boot" für Kemnade, es schneidet regelmäßig Schneisen ins Grün, damit wenigstens die Ausflugsschiffe fahren können. Auch Fische waren schon im Einsatz, Graskarpfen und sogenannte "Rotfedern", sie knabberten munter an "Elodea" herum - doch gebracht hat das alles nichts.
"Ausbaggern bringt nichts", erklärt Markus Rüdel vom Ruhrverband. "Dann hat man ein Jahr Ruhe, und im nächsten Jahr ist die ,Elodea' wieder da." Die Kosten, den Grund von Kemnade einmal auszuheben schätzt Rüdel auf etwa zehn Millionen Euro. Passieren werde es trotzdem "mittelfristig", aber nicht wegen der Wasserpest, sondern: "Kemnade verlandet langsam."
Andere Methoden, die Wasserpest auszurotten, sind denk-, aber nicht machbar: Chemie zum Beispiel - dann stirbt auch alles andere. Und Mähen, das weiß man ja längst: "Ist ein Kampf gegen Windmühlen", sagt Prof. Harro Bode, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands.
Nachdem 1988 die Robben in der Nordsee wie Fliegen starben, baute der Ruhrverband seine 72 Kläranlagen um. So, dass sie Stickstoff und Phosphor aus dem Wasser holen. Denn es hieß: Stickstoff und Phosphor machen zu viele Algen. Also wurde auch die Ruhr sauberer und vor allem klarer. Licht und klares Wasser braucht aber die "Elodea" zum Gedeihen. Und obwohl sie so wuchert: Sie nimmt Fischen keinen Platz und dem Wasser keinen Sauerstoff. Im Gegenteil: Sie spendiert ihn sogar. Zoohändler bieten die Wasserpest zum Kauf an - als "Sauerstoff-Pflanze" für den Teich, das Bund für 1,80 Euro.