Ruhrgebiet. . Im vergangenen Jahr besuchten 3,5 Millionen Übernachtungsgäste das Ruhrgebiet. Viele staunten über den Farbenreichtum des Reviers.

Der Ruhri mag es gar nicht hören, aber diese Touris sagen es trotzdem: Ganz schön grün hier im Ruhrgebiet! Drei Tage lang war der Erdkundekurs aus Aalen bei Ulm auf Exkursion im Revier. „Geographisch hat es ja einiges zu bieten“, erklärt Lehrer Andreas Arbter. Zollverein, Margarethenhöhe und Gasometer, Bergbaumuseum, Emscher-Renaturierung und Landschaftspark Nord haben sich die Gymnasiasten angeschaut; im Centro waren sie shoppen und abgestiegen sind sie in Bochums Kneipenviertel.

Und das also ist ihr Fazit: „Man denkt ja nicht, dass das hier so grün ist!“ Marcel Schöffner (18) sagt’s, alle anderen nicken. Eine „Industrieregion mit Massenarbeitslosigkeit“ hatte sie sich anders vorgestellt, ergänzt Margarita Schiffka (17): „Mein Bild vom Revier war schwarz-grau!“ Alten Klischees ist schwer beizukommen.

Doch das düstere Bild vom ollen Kohlenrevier – es wird allmählich nicht nur in Aalen der Wirklichkeit weichen. Denn immer mehr Menschen – nennen wir sie: Touristen – finden den Weg hierher. Und den Himmel über der Ruhr dann blauer als gedacht. Manche machen Geschäfte hier, andere tatsächlich: Urlaub im Pott.

Lockvogel Helene Fischer

3,8 Millionen Übernachtungsgäste zählte die Ruhr Tourismus GmbH im vergangenen Jahr. Das sind mehr als im Kulturhauptstadtjahr; und es sind mehr als doppelt so viele wie 1990! Zwei Tage blieben sie im Schnitt. Noch mehr Umsatz brachten aber die 145 Millionen Tagesreisen.

Insgesamt spülte der Tourismus mit all seinen Nebeneffekten 5,5 Milliarden Euro in die Region. „Das ist wirklich eine Hausnummer“, glaubt Axel Biermann, Geschäftsführer der Ruhr Tourismus GmbH. Die boomenden Besucherzahlen brächten dem Revier aber nicht nur Geld und die lange fällige „Imagekorrektur“. Das touristische Angebot erhöhe zudem Freizeitwert und Lebensqualität für die, die hier leben. „Damit können wir uns im Wettbewerb der Standorte um Ingenieure und Fachkräfte etwa besser behaupten.“

Dominik Peters in seiner Jugendherberge
Dominik Peters in seiner Jugendherberge "Bermuda3Eck". (Foto: Lars Heidrich)

Und was genau lockt sie her, all die vielen Revier-Touristen? Sie kommen wegen Zollverein und Landschaftspark Nord – die Instandsetzung und Bespielung der Industriedenkmäler leitete den Tourismus-Boom ein; sie kommen wegen der Ausstellungen im Gasometer oder Folkwang-Museum; bis zu 180.000 jährlich kommen allein des Ruhrtalradweges wegen; und sie kommen vor allem der Events wegen: Rund ein Viertel der Extraschicht-Besucher sind Auswärtige, und als Helene Fischer jüngst auf Schalke auftrat, waren auch die Gelsenkirchener Hoteliers „atemlos“. „Es gab kein freies Zimmer mehr“, erinnert sich Axel Biermann.

Apropos. Wo übernachten die Touristen? Zum Beispiel in einer der Jugendherbergen vor Ort, wie die jungen Aalener, die sich gerade im Bochumer Gästehaus „Bermuda3eck“ lärmend von Dominik Peters (36) verabschieden, dem Regionalleiter des Hauses. 2009 eröffnete es. 30,40 Euro kostet den Normal-Touri das günstigste (Stock-)Bett pro Nacht, das Familienkomfortzimmer ist für 105 Euro zu haben, Frühstück inklusive – und die Betten sind bereits bezogen!

Stockbett oder Suite

200.000 Gäste zählte die Herberge im Bermudadreieck seit 2009 in ihren 69 Zimmern, Geschäftsreisende und Urlauber halten sich die Waage. Kaufland schickt seine Azubis her, die Ruhruni ihre Austauschstudenten und die GLS-Bank ihre Anteilseigener. Judoka, Tänzer und Ruderer nächtigen hier bei Meisterschaften und Familien (gerne aus den ländlichen Regionen Deutschlands), nachdem sie Starlight Express und Bergbaumuseum besucht haben.

Dominik Peters: „Wir sind gut ausgelastet, das Ruhrgebiet ist ja ein interessantes Ziel, und die Menschen hier sind klasse!“ So offen und herzlich. Da komme der Tourist „schnell in Kontakt mit den Einheimischen.“

Eine Junior Suite im Schloss Hugenpoet. (Foto: Knut Vahlensieck)
Eine Junior Suite im Schloss Hugenpoet. (Foto: Knut Vahlensieck) © Funke Foto Services

Reisende, die eher auf Luxus-, statt Jugendherberge stehen, übernachten dagegen – vielleicht im Schloss? Auf Schloss Hugenpoet in Essen etwa, einer der besten Adressen des Reviers. Den 60. Geburtstag als Hotel (37 Zimmer) feiert man in diesem Jahr, die Geschichte des denkmalgeschützten Gebäudes allerdings ist mehr als 350 Jahre alt.

Das Hotel ist im Besitz des Barons Maximilian Freiherr von Fürstenberg und gönnt sich neben Concierge & Co auch Feng-Shui, einen Exklusiv-Restaurator und eine hauseigene Patisserie. 55 Prozent der Gäste sind Geschäfts-, der Rest Individualreisende. Sie kommen aus Deutschland und dem europäischen Ausland, aus den USA, Japan, China, Russland und Australien.

Wiederholungstäter

Wer hier Urlaub macht, besucht Villa Hügel, Zollverein oder die Düsseldorfer Kö; er kommt, um Golf zu spielen „und hängt vielleicht einen Tag Kultur an“, verrät Reservierungsleiterin Julia Westeppe. 178 Euro kostet das günstigste Zimmer (in der Nebensaison), für die Ustinov-Suite („das Lieblingszimmer von Sir Peter“) zahlt man 650 Euro, und eine Nacht im noblen „Villa-Türmchen“ schlägt mit 820 Euro zu Buche. (Ennio Morricone und den Spice Girls war es das wiederholt wert, erfährt man hinter vorgehaltener Hand). Dafür holt der Chauffeur den Gast nicht nur am Flughafen ab, sondern fährt ihn – mit der Limo! – auch ins Fitnessstudio. „Unsere Gäste finden das sehr charmant“, sagt Hugenpoets Marketingchefin Monika Uschkamp.

Josefin Fichtner (16), eine der Schülerinnen aus Aalen, fand das ganze Revier sehr charmant. Sie werde „bestimmt“ zurückkommen, versichert sie beim Abschied in Bochum. Für ein verlängertes Wochenende, mit der ganzen Familie. Damit auch die sieht, wie grün es ist . . .