Marion Loos gehört zu den Menschen, bei denen die Ärzte von "Erstickungstod auf Raten" sprechen. Nur eine Transplantation kann ihr helfen. Rudolf Nowak hat bereits ein neues Organ, kann wieder ruhig atmen

Nur die Transplantation kann Marion Loos helfen, am Leben zu bleiben. Rudolf Nowak lebt seit kurzem mit der neuen Lunge.  Fotos: WAZ, Matthias Graben
Nur die Transplantation kann Marion Loos helfen, am Leben zu bleiben. Rudolf Nowak lebt seit kurzem mit der neuen Lunge. Fotos: WAZ, Matthias Graben © WAZ

Essen. Knapp zwei Wochen ist es her, da hätte sie "keinen Pfennig" mehr für ihr Leben gegeben. "Ich dachte, das schaffst du nicht mehr", sagt Marin Loos. Ihr Atem geht noch ein wenig schwerer, als sie sagt: "Ich hab' es auch eigentlich gar nicht schaffen wollen. Wenn jeder Atemzug eine Qual ist, dann will man eben nicht mehr."

Jetzt sieht Marion Loos das ganz anders. Die Lungenentzündung, die sie fast getötet hätte, wie auch Dr. Urte Sommerwerck von der Essener Ruhrlandklinik sagt, ist ausgeheilt. Aber da ist ja noch das andere, das große Problem: Marion Loos leidet unter einer Krankheit, die den Namen COPD trägt, was für Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung steht und etwa drei bis fünf Millionen Menschen in Deutschland betrifft. Marion Loos leidet, so Dr. Markus Kamler (Uniklinik Essen) unter der schwersten Form: Versagen der Lungenfunktion. Ursache: Raucherhusten.

"Ich warte auf eine Transplantation", sagt sie. 51 Jahre alt ist sie und schiebt sich mit einem Rollator die Wege entlang. Darauf befestigt das Sauerstoffgerät. Plastikschläuche verbinden es mit der Nase von Frau Loos. "Ohne Sauerstoff geht es gar nicht." Und mit auch nur schlecht.

Anziehen, Haushalt machen - kaum zu bewältigen. Marion Loos aus Werdohl brauchte Stunden, um sich die Haare zu machen. Sachen zum Anziehen zu kaufen, war unmöglich.

"Erstickungstod auf Raten" ist das, was folgen kann, so Prof. Karl-Heinz Jakob, Direktor der Klinik für Thorax- und Kardiovaskuläre Chirurgie am Westdeutschen Herzzentrum (Uniklinik Essen). Doch nicht nur der Raucherhusten kann dazu führen. Auch Krankheiten wie Mukoviszidose, sagt Prof. Helmut Teschler, Leiter der Essener Ruhrlandklinik. Auch genetische Ursachen gebe es, auch Umweltbelastungen wie Feinstaub seien Ursachen für die Erkrankungen.

Weil die COPD eine Volkskrankheit ist, weil etwa 600 000 Menschen in Deutschland an der schwersten Form der COPD leiden, weil es Menschen wie Marion Loos gibt, die auf der Warteliste stehen, um transplantiert zu werden und weil die COPD oft zu spät erkannt wird, hat das Westdeutsche Lungentransplantationszentrum zusammen mit dem Westdeutschen Herzzentrum und der Ruhrlandklinik den "1. Lungentransplantationstag" ins Leben gerufen.

Am Moderator der Podiumsdiskussion am Samstag (11.15 bis 12.30 Uhr) könne man erkennen, wie streitbar das Thema ist. Frank Plasberg ("Hart aber Fair") wird mit Fachärzten, Patienten, Krankenkassenvertretern und dem Präsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe auch einen Aspekt beleuchten, der die Gemüter erregt: Dürfen Raucher, die bewusst eine Gesundheitsschädigung in Kauf nehmen, auf ein Spender-Organ hoffen? Prof. Jakob: "Natürlich bekommen auch Raucher eine neue Lunge. Aber diese Haltung ist umstritten."

Marion Loos, die abends, nach dem Job als Arzthelferin mit zwanzig Zigaretten gegen Stress ankämpfte, ist längst Nichtraucherin. Was nötig ist, denn nur Nichtraucher werden transplantiert.

Etwa 35 bis 40 Patienten erhalten in Essen eine neue Lunge. Damit gilt Essen, nach Hannover, als zweitgrößtes Transplantationszentrum Deutschlands. Prof. Jakob sagt: "Nach zehn Jahren leben von den bei uns Transplantierten noch 70 Prozent. Sonst sind es 50 Prozent."

700 Menschen warten deutschlandweit auf eine neue Lunge. In Essen sind es 130 Menschen. Jakob: "Wenn die Erkrankung früh genug erkannt ist, kann man in der Regel davon ausgehen, dass man den Zeitraum bis zur Transplantation übersteht."

Wie sich das anfühlt, wenn der Tag kommt, an dem es heißt "Wir haben eine Lunge für Sie", weiß Rudolf Nowak (53) aus Goch noch genau. Nur die Worte fehlen ihm. Seine Lebensgefährtin sagt: "Ich habe geweint." Nowak: "Ohne wäre ich tot."

Er, der einst selbstständige Tischler, der auf Altenpfleger umschulte, konnte kaum noch kriechen, sagt er. "Ich wollte mir das gar nicht eingestehen, dass ich keine Puste mehr kriegte." Aber dann brauchte er anderthalb Stunden, nur um sich das Gesicht zu waschen. Diagnose: Lungenfibrose.

Das ist jetzt ein paar Wochen her. Stolz zeigt er sein Fotoalbum. Er, der Rudolf Nowak, mit der querverlaufenden Naht über dem Oberkörper. Etwa sechs Stunden hat die Operation gedauert. "Als ich wach wurde, hat es geknistert. Ich dachte, die hätten mir eine Plastiktüte eingenäht. Aber dann merkte ich: Es ging. Ich konnte auf einmal atmen."

Die Zeit, die folgt, ist nicht leicht. Da das Abwehrsystem mittels Medikamenten schachmatt gesetzt wird, damit es das Organ, das ja fremd ist, nicht bekämpft. Ständige Infektionen sind die Folge.

Marion Loos schaut herüber zu Rudolf Nowak. Wie er da sitzt. Mit Mundschutz zur Sicherheit. Sie hört, wie er Luft holt. Ruhig, tief. Ihr eigener Atem pfeift, rasselt. Trotzdem lächelt sie. "Dann will ich mal hoffen", sagt sie, kontrolliert das Sauerstoffgerät und fährt mit dem Rollator hinaus.