Essen. Ein neuer Atlas im Internet zeigt Eltern, wie hoch das Läuse-Risiko in ihrem Stadtteil ist. Ärzte in den regionalen Gesundheitsämtern sehen das Portal kritisch: Es sei wichtiger, Kinder mit Läusen schnell zu melden und zu behandeln. Den Massenbefall bekämpfen die Ämter in NRW unterschiedlich.
NRW-Zahlen fehlen
In Nordrhein-Westfalen existieren keine Zahlen zum Läusebefall in den einzelnen Städten und Gemeinden. Der Arzneimittelhersteller Dr. Wolff hat daher, wie beschrieben, den Absatz der Anti-Läusemittel zur Grundlage des Läuseatlas' gemacht.
Läuse sind grundsätzlich nicht meldepflichtig. Eltern, deren Kind Läuse hat, müssen das Gesundheitsamt nicht anrufen. Sie sind aber gegenüber der Kiga-Leiterin oder den Klassenlehrern zur Meldung verpflichtet, wenn das Kind einen Kindergarten oder eine Schule besucht. Die Gesundheitsämter können selbstständig entscheiden, wie sie vorgehen und in welcher Form sie die Meldung entgegennehmen. Es gibt aber keine zentrale Stelle in NRW, an der die Zahlen zum Kopflausbefall aus den Städten gesammelt werden.
Im Kindergarten oder in der Grundschule, wo viele Kinder immer mal wieder ihre Köpfe zusammenstecken, fühlen sich Kopfläuse wohl. Die Betroffenen leiden unter üblem Juckreiz, viele schämen sich wegen ihrer Läuse. Der Arzneimittelhersteller Dr. Wolff hat nun einen Atlas im Internet frei geschaltet, in dem Eltern anhand ihrer Postleitzahl ermitteln können, wie hoch das Läuserisiko in ihrem Stadtteil ist. Danach sind in der Essener Stadtmitte 90 Prozent aller Kinder unter zwölf Jahren gefährdet, im Dortmunder Süden dagegen nur 20 Prozent.
„Wir haben das Risiko ermittelt, indem wir alle 2007 verkauften Arzneimittel gegen Läuse mit der Kinderzahl vor Ort verglichen haben“, sagt Firmensprecherin Eva Gertz. „Leider gibt es keine Vorbeugung gegen Läuse. Wenn man aber weiß, dass man in einem gefährdeten Gebiet lebt, kann man das Kind frühzeitiger auf Läuse untersuchen und so für einen weniger starken Juckreiz sorgen.“ Darüber hinaus profitierten auch alle anderen Kinder im Umfeld, die dann unter einer geringeren Ansteckungsgefahr litten.
"Rasches Erkennen und Behandeln"
In der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und im Robert-Koch-Institut wollen die Sprecher zum neuen Läuseatlas keine Stellungnahme abgeben. Die Sprecherin des Robert-Koch-Instituts weist aber darauf hin, dass Eltern, auch in den angeblich gefährdeten Gebieten, nicht täglich vorbeugend die Köpfe ihrer Kinder untersuchen können. Das „rasche Erkennen und Behandeln“ eines tatsächlichen Läusebefalls sei wichtiger.
In dieser Hinsicht gibt es, das wissen auch die Ärzte in den regionalen Gesundheitsämtern, einigen Nachholbedarf. Denn über Läuse hätten einige Eltern, Großeltern und Erzieher immer noch die abenteuerlichsten Vorstellungen. Besonders oft betonen die Ärzte, dass Läuse keine Krankheit sind und mangelnde Hygiene kein Grund für Läusebefall ist. Läuse breiten sich vielmehr dort aus, wo viele Kinder immer wieder ihre Köpfe zusammen stecken oder im Winter ihre Mützen tauschen. Dabei springen die Läuse aber nicht von Kopf zu Kopf, wie oft vermutet, sondern krabbeln.
„Jeder kann Kopfläuse bekommen und keiner muss sich dafür schämen“, schreibt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in einem Ratgeber. Wichtig sei nur, dass man die lästigen Blutsauger nach dem Befall schnell wieder los wird und eine weitere Verbreitung verhindert. Dabei helfen Anti-Läuse-Mittel aus der Apotheke, zusätzlich auch das nasse Auskämmen der Haare mit Pflegespülung und Läusekamm. Bereits einen Tag nach der ersten Behandlung mit dem Anti-Läuse-Mittel könne das Kind wieder in den Kindergarten oder in die Schule gehen, sagen die Ärzte. Nach knapp zwei Wochen muss die Behandlung wiederholt werden, um möglicherweise neu geschlüpfte Läuse abzutöten. Bettwäsche, Handtücher oder Mützen sollten in dieser Zeit regelmäßig bei einer hohen Temperatur gewaschen werden.
Kindergärten müssen Läusebefall ans Gesundheitsamt melden
Damit die kleinen Blutsauger nicht komplette Kindergarten-Gruppen oder Schulklassen mit ihrem Juckreiz quälen, sind Eltern nach dem Infektionsschutzgesetz verpflichtet, den Kindergartenleitungen oder den Klassenlehrern so schnell wie möglich zu melden, dass ihr Kind Kopfläuse hat. Die Kindergärten und Schulen wiederum geben diese Information an die städtischen Gesundheitsämter weiter.
Die Gesundheitsämter in der Region gehen allerdings sehr unterschiedlich mit Läusebefall in Gemeinschaftseinrichtungen um, weil es keine einheitlichen Landesvorgaben gibt. So reicht es dem Gesundheitsamt Duisburg, wenn Kindergartenleitungen melden, dass Kinder von Läusen betroffen sind, während in Mülheim und Düsseldorf die Kinder den Gesundheitsämtern namentlich genannt werden müssen.
„Bei uns bekommen alle Eltern von Spielkameraden des betroffenen Kindes einen Infobrief, in dem sie unterschreiben müssen, dass sie auch ihr Kind auf Läuse untersuchen und das noch vier weitere Wochen im Auge haben“, sagt Dr. Dieter Weber vom Gesundheitsamt Mülheim. Etwa zwei Wochen nach Bekanntwerden des Läusebefalls kommen Mitarbeiter des Gesundheitsamts in die Einrichtung, um alle Kinder auf Läuse zu untersuchen. „Da wir die betroffenen Kinder in unserer Datenbank haben, können wir natürlich auch feststellen, wenn mehrfach Läusebefall vorkommt. Das kann zwar jedem Kind passieren, manchmal weist das aber auf ein schwieriges soziales Umfeld hin. Da schicken wir dann auch schon mal die Familienhilfe hin“, sagt Weber.
"Läuse sind keine Krankheit"
Die Gesundheitsämter Düsseldorf und Mülheim bieten zudem Sprechstunden an, in denen sie kostenlos Atteste ausstellen, dass das Kind frei von Läusen ist und wieder in den Kindergarten oder die Schule gehen darf. Eltern sind gesetzlich aber nicht verpflichtet, solch ein Attest vorzulegen, sondern müssen nur sicher sein, dass das Kind nicht mehr betroffen ist, wenn es in die Einrichtung zurückkehrt. Einige Kindergärten und Schulen verlangen trotzdem ein Attest.
Der Mythos von der Nissenfreiheit
Es ist noch gar nicht so lange her, dass Kinder erst wieder in den Kindergarten oder in die Schule zurückkehren durften, wenn sie nissenfrei waren und damit keine Larven mehr auf dem Kopf hatten.
Diese Ansicht ist mittlerweile überholt. Nissen sind nicht ansteckend, betont das Robert-Koch-Institut. Allerdings können aus den Nissen neue Läuse schlüpfen. Daher muss auch bei Nissenbefall der Kopf des Kindes regelmäßig untersucht werden.
„Wir informieren darüber hinaus gezielt, wenn wir einen gehäuften Befall in Kindergärten und Schulen feststellen“, sagt Dr. Gregor Zysk vom Gesundheitsamt Düsseldorf. „Dann bieten wir auch kostenlose Beratungen und Nachuntersuchungen bei uns an.“ In Duisburg müssen die Einrichtungen die betroffenen Kinder nicht namentlich nennen. „Man darf nicht vergessen: Läuse sind keine Krankheit. Anders als Masern und Meningokokken, die wirklich gefährlich sein können“, sagt dort Dr. Rolf Behler. Infoblätter würden nur im Bedarfsfall herausgeschickt, weil das Gesundheitsamt davon ausgeht, dass die Einrichtungen solche Anleitungen bereits haben. Hätten diese aber Rückfragen oder Beratungsbedarf, könnten sie sich jederzeit an das Gesundheitsamt wenden.
Trotz der unterschiedlichen Vorgehensweisen stehen die Ärzte dem Läuseatlas skeptisch gegenüber. „Sie haben ja nichts davon, wenn Sie wissen, dass Sie in einem Risikogebiet leben“, sagt Behler. „Entscheidend ist, ob Ihr Kind mit anderen Kindern zusammen ist, die Läuse haben.“ In Mülheim stimmen die Zahlen des Läuseatlas’ aber weitestgehend mit den gemeldeten Fällen überein.
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