Bochum. . Am 30. Juni will Opel das ehemalige Werksgelände in Bochum an die „Entwicklunsggesellschaft Perspektive Bochum“ übergeben. Davor steht eines der spektakulärsten Abbruchprojekte, das das Ruhrgebiet je gesehen hat.

Es liegt ein Poltern in der Luft von Laer, dann wieder hört man es rutschen, prasseln, schütteln, knallen. „GL-Abbruch“ bei der Arbeit, dann klingt es immer so, und beim Motto dieser Firma hat man gleich Männer vor Augen, die in die Hände spucken. Das Motto heißt: „Es gibt viel zu tun. Brechen wir es ab.“

Bagger fuhrwerken, sie machen das Opel-Werk 1 in Bochum zuschanden. Trümmer türmen sich himmelwärts, und jeder, der vorbei fährt, -geht oder -radelt an den rot-weißen Absperrungen, muss einfach hinschauen. Und dann gibt es Menschen, die kommen mit Absicht und nehmen sich Zeit. Viele sind alte Opelaner. „Alles weg“, sagt einer und macht eine wegwerfende Handbewegung. Es ist einer der spektakulärsten und mühsamsten Abrisse, die gerade im Ruhrgebiet zu sehen sind. Zerstörung, die beeindruckt.

„Vor der Vermarktung kommtnun mal erst die Erschließung“

Auf das Mühevolle würde auch Professor Rolf Heyer immer verweisen, wenn es um die aufkommende Kritik geht, wo denn Investoren und Unternehmer bleiben für das Opel-Gelände. Er ist Geschäftsführer der „Entwicklungsgesellschaft Bochum Perspektive“ – und passenderweise ein erfahrenen Industriebrachen-Entwickler: „Vor der Vermarktung einer Fläche kommt nun mal erst die Erschließung.“ Am 30. Juni soll Opel sie an die Entwicklungsgesellschaft übergeben. Zumindest die meisten Opel-Hallen sollen abgerissen werden. Wirtschaftsförderer und Projektentwickler haben auch mit der Situation zu tun, dass es zumindest in Europa keine Blaupause für die Nachnutzung eines Autowerkes gibt.

Und dazu streiten Opel und der Ex-Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel so beherzt und so öffentlich wie früher; zuletzt darüber, ob der Abriss nicht viel länger dauert und viel teurer wird als geplant. „Das Werk hat etwas von uns“, sagte Einenkel vor Tor 4 angesichts der zähen Niederlegung.

Jetzt steht dort Dietmar Porwitz. „Das geht einem schon an die Nerven, vor allem, wenn man sieht, wie viele Arbeitsplätze wir sonst haben in unserer Region“, sagt er. 21 Jahre war er bei Opel, hat Türen und Heckklappen montiert. Dann ein Jahr Transfergesellschaft. Dann ein Jahr arbeitslos. Jetzt ein Jahr und mehr: Hartz 4. „Mit achtundvierzig ist der Zug abgefahren“, sagt der 48-Jährige. Er sucht Zeitarbeit. Einmal, zweimal in der Woche kommt er her und schaut, wie die gigantische Lackiererei langsam zu Boden geht.

1986 war sie die modernste Europas. Jetzt ist ein Rudel großer Abrissbagger auf sie losgelassen, sie reißen Teile aus dem Dach, schlagen auf die Wände ein, lassen Trümmer in Container fallen und weiden mit langsamen Schwenks Etagen aus. „Ich hab’ hier schon Leute weinen sehen“, sagt Porwitz. Fast immer ist jemand da. Einzelne, Grüppchen. Sie gucken, fotografieren, setzen sich auf Bordsteine, reden, machen einander mit Fingerzeigen auf etwas aufmerksam. Der Abrissbagger auf dem Schornstein, war der die Tage auch schon da? „Geht uns alles nichts mehr an“, sagt eine Frau: „Aber wenn man da sechsundzwanzig Jahre drin war . . .“

Welche Firma zieht in ein Gebäude mit dem Namen einer anderen?

Es gibt aber auch noch buchstäblich eine andere Seite. Zweieinhalb Kilometer weiter, Tor 1, das Verwaltungsgebäude mit dem großen Opel-Schriftzug, den jeder aus den ,Tagesthemen’ kennt. Hier stolperten die Planer über ungeahnte Hürden, als es vorläufig unter Denkmalschutz gestellt wurde. Nun sei die Frage, so Rolf Heyer von der Entwicklungsgesellschaft, welches Unternehmen sich in einem Gebäude ansiedeln solle, über dem nicht sein Name prange, sondern ein anderer. Eile tut not in der Entscheidung über Denkmalschutz: Im Sommer soll genau hier die Erschließung der Fläche beginnen.

Doch steht man draußen davor, könnte man meinen, es wäre nichts – es gibt hier auch keine Kiebitze. Ein paar dutzend Autos parken vor dem Tor, die Pforte ist besetzt, sie lassen Laster ein – Laster mit leeren Containern, für vorne, für die kolossale Zerstörung an Tor 4. Und noch ein zweites Detail verrät an dieser trügerischen Stelle, dass es vorbei ist mit dem Autobau: Jene große Werksuhr, die seit Jahren herhalten musste für 5-vor-12-Symbolfotos, die ist irgendwann in den letzten Monaten auf 10.49 Uhr stehengeblieben. Nie mehr fünf vor zwölf.