Duisburg. Antwerpen zählt zu den Mode-Metropolen Europas, und der gebürtige Duisburger Stephan Schneider ist mittendrin. Er zählt zu den erfolgreichsten Designern in Belgien, ist aber bescheiden geblieben. Dabei verließ er Duisburg, weil er das Gefühl hatte: "Hier verpasse ich was."

Foto: Kira Bunse
Foto: Kira Bunse

Stephan Schneider will entdeckt werden. Sein Geschäft liegt in einer Seitenstraße im Zentrum von Antwerpen. Die Fassade ist aus dunkel lackiertem Holz, das Schaufenster bis auf einige Preistafeln leer. Wer seine Nase an die Glasscheibe presst, entdeckt Kaffee-Maschinen in einem Regal und im Eingang drei Schaufenster-Puppen; kein Schild weist auf den Mode-Designer hin, nur eine Klingel.

„Das Kleine ist meine Stärke“, sagt der 39-Jährige, als er lächelnd die Tür öffnet. Er trägt einen beigefarbenen Pullover und eine helle Hose, die Haare hat er streng aus dem Gesicht gegelt. Seit 1990 lebt der gebürtige Duisburger in Antwerpen; der Metropole des jungen europäischen Modegeschehens. Er hat an der Königlichen Akademie der Schönen Künste studiert, eine Talentschmiede für Designer, er war der Beste seines Jahrgangs. Er hat eine eigene Marke kreiert und sich auf den Laufstegen etabliert. Er ist überzeugt, dass er seinen Erfolg vor allem dem jungen, sehr kreativen Umfeld zu verdanken hat – und seiner Heimat, die ihn bis heute prägt.

„Ich bin Duisburger, durch und durch“, sagt Schneider. „Ich bin effizient und bodenständig.“ Er schätzt die Lebensqualität im Ruhrgebiet, ist häufig bei seiner Familie zu Besuch. Die Heimat, sagt er, gibt ihm ein warmes Gefühl, die Menschen dort sind ehrlich und zufrieden. Doch seine Jugend in Duisburg war so normal, dass er wusste: „Hier verpasse ich was.“

Chic ist nur, was getragen aussieht

Also ging Schneider in den 80er Jahren nach England ins Internat, kam dort erstmals mit Jugendkulturen in Berührung, wurde neugierig. Über England lernte er die Mode der Belgier kennen - eine Mode, die getragen aussehen musste, um chic zu sein. Ihn faszinierte die Freiheit, das Individualistische. „Man braucht hier keine Mappe, kein Diplom, wenn man erfolgreich sein will – nur Begeisterung“, schwärmt er.

Fotos: Kira Bunse
Fotos: Kira Bunse

Seinen Laden machte er mit null Startkapital auf; in Deutschland hätte er sich das wohl nicht getraut. Sein Geschäft in der Reyndersstraat ist gerade einmal 30 Quadratmeter groß, er hat sechs Mitarbeiter, das Atelier liegt gleich um die Ecke. An einer Stange im Erdgeschoss hängen Jacken, Hemden, Pullover, Mäntel, Hosen und Röcke, alle schlicht, in gedeckten Farben, geradlinig, alle „made in Belgium“. Schneider ist es nicht wichtig, dass sein Name auf vielen Etiketten steht.

„Der Kunde will mich nicht in der Vogue sehen“, ist er überzeugt. „Ein Butterbrot zu essen ist für mich mehr Luxus als ein Glas Champagner zu trinken in einer Lounge.“ Glänzende Mauerblümchen, so nennt er die Charaktere, die ihn faszinieren. Dennoch hat es viele Jahre gedauert, bis sich diese Erkenntnis durchsetzte. 2001 eröffnete er ein Geschäft in Tokio, 400 Quadratmeter groß in Top-Lage, direkt neben Chanel.

Über der Tür stand groß: Stephan Schneider – ein Traum eines jeden europäischen Designers, der Geld verdienen will. Aber irgendwann hatte er keine andere Wahl: Wegen der größeren Mengen hätte er einen Großteil in China produzieren müssen. „Ich hatte Angst meine Seele zu verkaufen“, sagt Schneider – und zog sich wieder zurück.

Immer noch hängt seine Mode in 70 Läden der Welt, in Korea und Australien, in Frankreich, Italien und Deutschland. Im April vorigen Jahres trat er außerdem die Nachfolge der Mode-Ikone Vivienne Westwood an der Berliner Universität der Künste an. Die Professur gibt ihm Auftrieb, sagt er. Doch nun habe er sein Endstadium erreicht Sein Laden in Antwerpen werde so bleiben wie er ist. Klein und unscheinbar. „So wie ich einmal angefangen habe.“