Ruhrgebiet. . Polizei hebt Bande aus: Zusammen mit einem Programmierer manipulierte ein Betreiber die Software von Automaten. Kunden wurden um Millionen betrogen.
Was für eine Idee, was für eine Masche. Man kann klammheimliche Achtung empfinden für soviel Durchtriebenheit, doch die getroffene Automatenbranche teilt sie nicht („Erhebliche kriminelle Energie“), und natürlich war es ein Verbrechen. Arbeitstitel: Spielhalle betrügt Kunden. Betrogene Betrüger kommen dann auch noch hinzu.
Jedenfalls: „Geschädigt wurden Millionen namenloser Spieler“, sagt Kriminalhauptkommissar Uwe-Dieter Matschat am Donnerstag. Da schildern die Gelsenkirchener Beamten auf einer Pressekonferenz Details zu dem spektakulären Fall, über den die WAZ schon Donnerstag berichtete.
Danach soll eine Bande um den jetzt verhafteten Gelsenkirchener Spielhallenbetreiber Ali T. (53) und den Programmierer Benjamin P. (32) eine Software entwickelt haben, um Spielautomaten zu manipulieren: Sie schütten dann weniger Geld aus als vorgeschrieben. Die Software, so die Polizei, habe T. vor allem im Ruhrgebiet, aber auch sonstwo an Spielhallenbetreiber verkauft, die ihre Kunden damit übers Ohr hauen wollten. Was die Käufer aber nicht ahnten: Dieselbe Software soll es Zuträgern von T. ermöglicht haben, aus den Automaten wiederum mehr Geld zu holen, als normalerweise möglich wäre. „Betrogene Betrüger“, sagt Matschat daher. Der Trick war übrigens bis ganz zum Ende durchdacht: Die betrogenen Betreiber merkten nichts von ihren Verlusten, weil sie durch den eigenen Betrug am Kunden mehr Geld übrig behielten als bei regulärem Spiel.
Dabei verdient die Branche ohnehin gut in NRW. 1,34 Milliarden Euro nahm sie im vergangenen Jahr in Spielhallen ein, 154 Millionen Euro durch Automaten in der Gastronomie. Allein eine Stadt wie Dortmund zählt 118 Spielhallen, Duisburg 102, Essen 90 und Bochum 54. Hinzu kommen noch die Automaten in der Gastronomie und die vielen halblegalen, illegalen in Internet-Cafés oder Hinterzimmern von Kneipen.
Glücksspiel-Branche boomt
Die Glücksspiel-Branche boomt. Besonders wegen der vielen Sportwettenläden, die an allen Ecken eröffnet wurden. „Die laufen ohne gültige Konzession. Eigentlich sind diese nach dem Glücksspielstaatsvertrag vorgeschrieben, doch es gibt keine rechtliche Handhabe, gegen die Läden vorzugehen, da viele Klagen zur Konzessionsvergabe anhängig sind“, erklärt Jürgen Trimmer vom Arbeitskreis gegen Spielsucht.
Die Märkte hätten sich radikal verändert, seien expandiert. „Zudem werden Sportwetten von vielen Menschen gar nicht als Glücksspiel begriffen, sondern als Kompetenzspiel, das ihr Wissen abfragt. Dabei sind auch Fußballwetten Glücksspiel. Denn wer hätte zu Saisonbeginn den jetzigen Tabellenstand von Borussia Dortmund so eingeschätzt?“, sagt Trimmer.
Die Kehrseite des Kitzels ist die Sucht. Schätzungen gehen von 40 000 Glücksspielsüchtigen in Nordrhein-Westfalen aus. Da wird das Glücksspiel zum zentralen Lebensinhalt. Da wird gestohlen, um das Laster zu finanzieren. Da wird am bitteren Ende gar das Einfamilienhaus gepfändet.
„Diese Sucht bringt viel Leid in die Familien. Deshalb kann man nicht nur vom Süchtigen selbst sprechen, man muss seine Familie sehen, Freunde, Kollegen“, sagt Ilona Füchtenschnieder von der Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht NRW in Bielefeld. Vier Kliniken im Land sind auf solche Patienten spezialisiert. Hilfsangebote gebe es viele, was jedoch fehle, sei eine Spielersperre wie in Hessen, so Füchtenschnieder. Als diese im vergangenen Jahr eingeführt wurde, ließen sich 7500 Spielsüchtige für den Besuch von Spielhallen sperren. Acht Monate später begehrte die Branche auf: Ihr Umsatz war um 26 Prozent eingebrochen.
Bis zu zehn Millionen Euro Schaden
Doch zurück nach Gelsenkirchen. In Sachen Manipulationssoftware wurden sechs Verdächtige verhaftet, 25 Zuträger ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt wegen Computerbetruges und Steuerhinterziehung. Auch zwei leitende Angestellte einer bundesweiten Spielhallenkette sollen verwickelt sein; die Polizei prüft, ob die beiden Geräte auf eigene Rechnung manipulierten oder für die Firma. Die Polizei rechnet mit einem Schaden bis zu zehn Millionen Euro. Man könne nicht ausschließen, sagt der Ermittler Matschat, dass noch manipulierte Geräte in Betrieb seien.