Bochum/Essen. Es gibt sie schon im Ruhrgebiet, aber es sind noch nicht viele: Schulen, die moderne Medien flächendeckend im Unterricht einsetzen. Schüler und Lehrer müssen den sicheren Umgang mit PC, Laptop und sozialen Netzen lernen. Wie gut das gelingt, hängst oft von kundigen und interessierten Lehrern und Eltern ab.

Von wegen „digitale Muffel“: Kundige Lehrkräfte und Eltern waren es, die schon 1993 über die Dachböden der ­Willy-Brandt- Ge­samtschule in Mülheim-Styrum krabbelten, um endlose Kabel in alle Klassenräume zu verlegen. Den Internet-Zugang hatte da die Uni Duisburg verlegt, der Rest wurde in Eigenarbeit erledigt.

2012 war die Schule eine von dreien in der Stadt, die komplett saniert wurden. Dabei wurden alle Computerleitungen neu und professionell verlegt – sie sind seitdem gut geschützt auch vor den Mardern, die zuvor unterm Dach immer mal wieder die Drähte ins weltweite Netz zerbissen hatten.

Das Arbeiten am Computer, die Recherche im Internet sind also seit zehn Jahren Alltag für die 1024 Schülerinnen und Schüler und ihre rund 90 Lehrkräfte, sagt Schulleiterin Ingrid Lürig.

Jeder Fünftklässler bekommt seine Internet-Kennung

„Heute gibt es zwei Fachräume mit je 30 Computern, außerdem zwei weitere Technik-Räume für die Oberstufe. 15 i-Pads hat der Förderverein dafür spendiert.“ Hier lernen die Jugendlichen in Grund- und Leistungskursen etwa, wie man die Hauselektronik über Rechner oder i-Pad steuert. In jedem Klassenraum stehen Rechner mit Internetzugang, in Freistunden oder über Mittags kann, wer mag, an den Computer-Inseln in vier öffentlichen Arbeitsbereichen recherchieren, gestalten oder schreiben.

Schon jeder Fünftklässler hat bekommt seine persönliche Internet-Kennung, im fünften, siebten und zehnten Schuljahr sind jeweils sechs Wochen „Computer-Führerschein“ Pflichtprogramm im Lehrplan: Dann geht es um das Kennelernen oder Vertiefen von Programmen wie Word, Excel oder Powerpoint, um Datenschutz und Risiken im Internet. „Medienscouts“ – digital versierte Schülerinnen und Schüler – bringen den jungen Mitschülern und ­deren Eltern sehr plastisch bei, wie etwa die sozialen Netzwerke funktionieren – und was man dort tunlichst unbedingt vermeiden sollte.

Mobbing und Hacking sind verboten

Im Unterricht, so Lürig, werden Computer laufend in fast allen Fächern genutzt: Zur Recherche in Erdkunde, Geschichte, Deutsch, Politik, zur Auswertung von Daten, zur ­Power­point-Präsentation von Referaten. „Die können eine Klassenarbeit ersetzen – und sind oft richtig gut!“

Die Arbeitsmittel Computer, Tablet oder auch Smartphone sind für Lürig nicht mehr aus der Schule wegzudenken, die Jugendlichen gingen sehr verantwortungsvoll damit um. Schlechte Erfahrungen habe sie damit bisher nicht gemacht. „Verboten sind Beleidigungen und Mobbing im Netz. Und wer erwischt wird beim Hacking oder wer das Schulnetz bewusst stört, wird für ein Jahr gesperrt.“ Dies und mehr steht in einem Vertrag, den jeder Schüler, dessen Eltern und der Klassenlehrer jedes Jahr neu unterschreiben.

Für Rechner, Software, technische Betreuung und den Austausch defekter Geräte ist das Schulamt der Stadt zuständig. Trotz der angespannten Haushaltslage investiere die gezielt in die digitale Ausstattung der Schulen. Der Austausch defekter Computer dauere manchmal eine Weile, „aber alles wird erledigt. Die Verantwortlichen wissen, wie wichtig es ist, gerade in Stadtteilen wie Styrum in die Bildung der Kinder zu investieren.“

87 Schulen in Bochum im Blick

Auch in Bochum sorgt das Stadtverwaltung dafür, dass die 87 Schulen der Stadt (darunter 42 Grundschulen) den Schritt in die Moderne tun. „Die Arbeit mit Computern steht heute in jedem Schulprogramm, die praktische Nutzung im Unterricht ist aber sehr unterschiedlich“, weiß Martin Nickel, der seit 2001 im Schulverwaltungsamt die Medienentwicklung plant.

850 Laptops sind heute an Schulen im Einsatz, Computerräume, Klassen-Rechner mit Internet-Anschluss oder W-Lan seien aber nicht überall Standard. Kein Wunder: Gerade 410 000 Euro kann die Stadt pro Jahr für Hardware, Software, Wartung und mehr für den Lernbetrieb erübrigen.

Große Schwachstelle: der Server

Die Bochumer Werner-von-Siemens-Hauptschule ist seit langem technisch gut gerüstet, weil findige Lehrer und starke Sponsoren vieles sehr früh ermöglichten. Alle Schüler lernen auch hier am Rechner: recherchieren Berufsbilder, üben Bewerbungen, suchen Jobs im Internet. Spezielle Lernprogramme gibt es für Kinder mit besonderem ­Förderbedarf; in Mathe, Deutsch, Englisch, Geografie oder im Technik-Unterricht werden PC genutzt. Die 37 Lehrkräfte seien technisch interessiert und fit, versenden Termine und Aufgaben gern per E-Mail oder über Facebook, sagt Schulleiter Klaus-Dieter Leiendecker. Große Schwachstelle sei der Server: „Er streikt, wenn alle am Netz sind.“

Virtuelle Klassenzimmer in ganz Unna

Wenn man die Berufskollegs, die als „IT-Vorreiter“ gelten, ausklammere, sei nur etwa jede zehnte Schule gut mit Computern und dafür geschultem Personal ausgestattet, sagt Dorothea Schäfer, NRW-Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW. „Die Gründe sind immer die gleichen. Die Lehrer sagen, sie bräuchten Fortbildung, und die Schulen verweisen auf die Kosten.“

Mitunter laufe die technische Entwicklung den Schulen schlicht davon. Schäfer erinnert an den Streit um die teuren grafikfähigen Taschenrechner in NRW. „Eine veraltete Technik, die neu eingeführt werden sollte.“

Nach Einschätzung der Gewerkschafterin gab es in den 1980-er Jahren einen interessanten Ansatz: die „Grundbildung Informatik“ (Grin). Schäfer: „Grin ist irgendwann steckengeblieben, aber einzelne Schulen und Städte machten weiter.“ Mit bemerkenswerten Ergebnissen.

Bundesweit beachtet ist die „Unit 21“, das „virtuelle Klassenzimmer“ in Unna. Dort sind alle Schulen mit moderner IT-Infrastruktur ausgestattet. Funknetze und Notebooks für alle Klassen machen die Nutzung unabhängig von Informatikräumen und Steckdosen. Ein zentrales Rechenzentrum entlastet Lehrer von der Technikbetreuung.