Bochum/Duisburg. Etliche Leserinnen und Leser haben uns geschrieben, um ihre schönsten Erinnerungen aus 75 Jahren WAZ mit uns zu teilen.
Die Bochumerin Lisel Boese (83) kennt die WAZ beinahe ihr ganzes Leben lang. Ihr Vater Julius Heun arbeitete als Elektro-Ingenieur in der damals revierweit bekannten Spezialfabrik für feuerfeste Steine, „Dr.-C.-Otto Feuerfest“ in Bochum-Dahlhausen, nur einen Steinwurf entfernt von der Ruhr. Das Werk gibt es noch heute. Seine beiden weit sichtbaren Schornsteine recken sich unmittelbar neben dem Eisenbahnmuseum in den Himmel.
Lisel Boese hatte einen Bruder. Die beiden Geschwister begegneten dem Vater stets mit großem Respekt. Sie erinnert sich, dass als Mittelpunkt des väterlichen Arbeitszimmers ein wuchtiger Schreibtisch mit passendem Stuhl den kompletten Raum beherrschte. „Dieser Schreibtisch war das Heiligtum meines Vaters“, erzählt sie. Es klingt noch immer ehrfurchtsvoll.
Der Schreibtisch hat mehrere Umzüge miterlebt und steht heute an einem besonderen Fensterplatz in Lisel Boeses kleinem Einfamilienhäuschen im Bochumer Norden. „Es gehörte bei uns zur Familientradition, dass jeden Sonntag nach dem Essen mein Vater uns Kinder fragte: ,Na, wie war denn Eure Woche?’ Dabei orientierte er sich immer daran, was in der WAZ gestanden hat.“
Die ganze Familie war an diesen Nachmittagen versammelt und Julius Heun startete seinen eigenen Quiz, lange vor den Jauchs oder Pilawas unserer Fernsehzeit. „Dabei standen wir immer gut da, wenn wir auch die Zeitung gelesen hatte“, denn sie war mehr noch als Radio und später das Fernsehen die Quelle der Nachricht für ihn und die ganze Familie. Gern erinnert sich Lisel Boese an diese Familiennachmittage.
Als der Vater starb und später auch die Mutter, sollte der Schreibtisch eigentlich auf den Sperrmüll wandern. Doch das konnte Lisel Boese nicht ertragen. Jetzt steht er, wie bereits erwähnt, an seinem lichtdurchfluteten Fensterplatz. Später fand Lisel Boese noch alte Zeitungen und einen Nachdruck der WAZ-Erstausgabe in einer Schublade des Schreibtischs.
Einige Erinnerungsstücke hält Lisel Boese in Ehren
Unter den Erinnerungsstücken auch eine Zeitung vom 11. November 1944 auf Bochum. In der damaligen GauZeitung der NSDAP „Westfälische Landeszeitung“ Rote Erde wurden die Opfer des schwersten Bombenangriffes im Krieg auf Bochum aufgelistet. Julius Heun hat gezählt, denn wohl aus bestimmten Gründen hatten die Redakteure keine Zahl genannt. „100“ schrieb Heun mit Bleistift an eine der Namensspalten. Bei neun Spalten, kommen 900 Namen zusammen. Heute weiß man, dass rund 1200 Menschen bei diesem Luftangriff ums Leben gekommen sind.
Lisel Boese jedenfalls hält diese Erinnerungsstücke in Ehren, genauso wie ihre WAZ, die sie bis heute abonniert hat. Neben den Todesanzeigen ist es vor allem der Sportteil, den sie am liebsten liest. Denn schon früh war sie mit ihrem Vater, einem ganz eingefleischten VfL-Bochum-Fan, im Stadion an der Castroper Straße. Es mag sein, dass die Verbindung zum VfL auch ihre Treue zur WAZ beflügelt. Denn im Gründungsjahr der WAZ, feierte der Fußballverein immerhin schon sein stolzes 100-Jähriges.
„Leg und bitte die entsprechenden Artikel raus“
In der Familie Eller spielt die WAZ Duisburg seit fast 70 Jahren eine prägende Rolle: Walter Eller ist schon 93 Jahre alt, liest sie aber immer noch jeden Tag. Als Leiter des Duisburger Kaltwalzwerkes Thyssen Krupp verfolgt er damals wie heute das regionale, deutsche und internationale Geschehen.
Das tägliche Ritual des Zeitunglesens habe ihm auch ein wenig über den Tod seiner geliebten Ehefrau vor fünf Jahren hinweg geholfen, berichtet seine Tochter Ulrike. Ein Interview schlug Walter Eller aus, aber die Erzählungen seiner Tochter freuen ihn doch.
„Er ist glücklicherweise immer noch bei guter Gesundheit, lebt bis heute im eigenen Haus und beginnt seinen Tag immer mit seinem Frühstück und natürlich mit seiner Zeitung“, berichtet Ulrike Eller. Kinder und Enkel profitieren von der täglichen Lektüre.
„Geistesgegenwärtig schneidet mein Vater der ganzen Familie seit Jahrzehnten schon die stets passenden Artikel aus“, so Ulrike Eller. Ihr Bruder habe über eine WAZ-Annonce, die er vom Vater bekam, vor Jahrzehnten seine berufliche Laufbahn angetreten und schließlich eine Lehrerstelle in Dinslaken gefunden. Sie selbst kam auf diese Weise zu ihrem Haus, in dem sie seit 26 Jahren lebe.
Die Enkelkinder informiert er „mit Artikeln zu Start-ups, psychologischen Coaches, Kryptowährung und manchem mehr“.
Ulrike Eller erhielt die Sammlung mit Tipps für die Steuererklärung. Und mit Artikeln zur Grundsteuer-Erklärung habe die WAZ in den vergangenen Monaten geradezu seelischen Beistand geleistet.
Offenbar hatte auch die WAZ oft auch ein gutes Händchen bei Themenwahl und Timing: Zu den neuesten Reisebuchungen der Familien erschienen stets die passenden Ausflugstipps, berichtet Eller, ob El Gouna oder Gran Canaria – die Zeitung lieferte pünktlich die Details.
„Ihre Aktualität ist frappierend“, findet Ulrike Eller: Kürzlich erst wieder, „als die Tochter meines Partners zu einem längeren Aufenthalt nach Menton (französische Küste bei Monaco) aufbrach, kam mein Vater spontan mit dem Bericht über die Küstenstadt um die Ecke“. Dieser und viele andere Reiseberichte seien von wunderschönen Fotos gekrönt, lobt sie.
Vater und Schwiegersohn verstehen sich – schon dank des Abos
„Die WAZ-Tradition und seine Informiertheit hat mein Vater so tief in die Familie implementiert, dass wir alle gerne seinen Rat und seine Meinung hören und schon sagen: Leg uns bitte die entsprechenden WAZ-Artikel raus“, berichtet Ulrike Eller, deren Partner auch ein Abo hat. „Mein Vater und mein Partner verstehen sich nicht zuletzt deshalb ausgezeichnet, werfen sich die Bälle zu und ich fühle mich hüben wie drüben einfach zuhause!
75 Jahre WAZ – alle ArtikelDieser Beitrag erscheint anlässlich des 75. Geburtstages der WAZ. Alle Artikel zum Jubiläum finden Sie unter waz.de/75jahrewaz. Unsere große Jubiläumsausgabe können Sie auch online durchblättern als digitales „Flipbook“: waz.de/jubilaeum