Oberhausen. . Zechen, Kokerei und das Stahlwerk schlossen nacheinander. Wie Burkhard Drescher eine Brache zur pulsierenden Neuen Mitte Oberhausens machte.

Der Abschied der Industrie aus der „alten Mitte Oberhausens“ verläuft schleichend, aber er hat es in sich. Unter dem Strich verliert die Stadt 36.000 Arbeitsplätze in ihrem Montan-geprägten Herzen. Zechen, Kokerei, Hochöfen und das Stahlwerk schlossen nacheinander. Mitten in diesem wirtschaftlichen Trauma kommt Burkhard Drescher 1990 zunächst als Stadtdirektor, ein Jahr später als Oberstadtdirektor ins Oberhausener Rathaus.

„Innerhalb von fünf Jahren wurden 350.000 Hektar frei. Oberhausen verlor insgesamt 50.000 Arbeitsplätze. Das war eine gigantische Aufgabe“, erinnert sich Drescher. Nach der Wiedervereinigung zerplatzen die Pläne, auf dem riesigen Gelände der Gutehoffnungs-Hütte und des Thyssen-Stahlwerks ein Motoren- und ein Druckmaschinen-Werk anzusiedeln. Die Unternehmen zieht es stattdessen in den Osten. Die Idee amerikanischer Investoren, in Oberhausen „Triple Five“ – das größte Einkaufs- und Vergnügungszentrum der Welt – zu bauen, verwirft die Landesregierung schon Jahre vorher.

Oberhausen steht mit leeren Händen da. Bis Drescher 1991 eine Einladung der Landesbank WestLB nach Düsseldorf erhält. Dort stellt man ihm die Pläne des britischen Handelskönigs Eddie Healey vor, in Oberhausen ein gewaltiges Einkaufs- und Freizeitzentrum zu bauen. Investition: 1,5 Milliarden DM. Er reist nach Sheffield, die ehemalige englische Montanstadt, in der der Strukturwandel „viel brutaler“, wie Drescher sagt, zugeschlagen hatte. Dort hatte Healey kurz zuvor bereits ein Einkaufszentrum eröffnet.

Das Konzept überzeugt

Das Konzept überzeugt den Verwaltungsmann. Zurück in Oberhausen, lässt er im Oktober 1991 im Rathaus einen Masterplan für das ehemalige Industrieareal entwerfen. Drescher ahnt, dass das künftige Centro Bedenken in der eigenen Stadt, aber auch bei den Nachbarn provozieren könnte. Und so absolviert er im Jahr 1992 fast 250 Abendveranstaltungen, um Vereine, Kirchengemeinden und Handelsverbände zu überzeugen. Vor allem die Einzelhändler aus Essen fürchten die Konkurrenz in Oberhausen, Bottrop zieht sogar vor Gericht. „Am Ende stimmte der Rat der Stadt Oberhausen einstimmig zu“, erinnert sich Drescher. Die Stadt kann das Grundstück von Thyssen kaufen. Mit EU-Mitteln lässt sie die Altlasten entfernen und verkauft das baureife Areal an Investor Healey.

Unterstützung durch die Medien

Das Konzept geht auf. Inzwischen ist die Neue Mitte Oberhausen mit Centro, Arena, Aquarium, Theater, Kino, Freizeitpark, Gastronomie und vielem mehr Wirtschaftsmotor und Publikumsmagnet. „Ich konnte mein Versprechen einhalten, dass dort mehr als 10.000 Arbeitsplätze entstehen“, bilanziert Drescher. Er räumt aber auch ein, dass sich für Oberhausen Anfang der 90er Jahre politisch ein „günstiges Zeitfenster“ geöffnet habe. Die Landesregierung stand nach der Ablehnung der Triple-Five-Pläne bei der Emscher-Stadt im Wort. Und mit Heinz Schleußer (SPD) saß ein Oberhausener auf dem wichtigen Sessel des NRW-Finanzministers.

Als jüngster Oberstadtdirektor in Deutschland schaffte Drescher aber auch die organisatorischen Voraussetzungen, das Mega-Projekt Neue Mitte zu stemmen. Im Rathaus schaffte er Dezernate und Ämter ab, bildete Runde Tische. Weil er das Centro abspeckte, stimmten am Ende auch die Nachbarstädte im Bezirksplanungsrat zu.

„Es gab sehr viele günstige Umstände“, bekennt Drescher. Dazu habe natürlich Investor Healey gezählt, der zu Kompromissen bereit gewesen sei. Der Stadtchef wusste aber auch die Medien auf seiner Seite. „Die WAZ hatte den Strukturwandel-Aspekt erkannt und die Entwicklung der Neuen Mitte sehr positiv begleitet“, betont Drescher und erinnert daran, dass sich der damalige WAZ-Chefredakteur Ralf Lehmann selbst mehrfach über die Planungen informiert hatte.

Im Rückblick steht für den heutigen Chef von Innovation City fest: „Wenn wir die WAZ nicht überzeugt hätten, wäre der Ratsbeschluss nicht einstimmig gewesen.“ Ohne die Unterstützung durch Medien seien Großinvestitionen wie das Centro auch heute nicht denkbar. Drescher: „Das Wichtigste ist aber die Transparenz. Wir konnten vermitteln, dass da nicht gemauschelt wurde.“

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