Düsseldorf. Die Kundgebungen hätten zwar großen Zulauf, so Thomas Poguntke, die Demonstrierenden seien aber nur ein Bruchteil der Gesamtbevölkerung.
Hunderttausende Menschen im Land demonstrieren für Demokratie und gegen die AfD. NRZ-Politikchef Jan Jessen unterhielt sich mit Politikwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Poguntke von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf über die Proteste, ihre Nachhaltigkeit und Auswirkungen auf die AfD.
Seit Wochen gehen bundesweit Hunderttausende auf die Straße, um gegen rechts zu demonstrieren. Wer demonstriert da eigentlich, Prof. Pogunkte?
Im Wesentlichen ist das der politisch aktive Teil der Bevölkerung links der Mitte. Also Menschen, die der SPD, den Grünen und der Linkspartei zuzuordnen sind oder Leute aus dem gewerkschaftlichen Milieu und dem kirchlichen.
Also nicht die bürgerliche „schweigende Mehrheit“, von der jetzt oft die Rede ist?
Das ist schwer feststellbar. Die Demonstrationen haben zwar großen Zulauf, die Gesamtzahl der Demonstrierenden ist aber nur ein Bruchteil der Gesamtbevölkerung. Getragen werden die Kundgebungen jedenfalls vom linken Spektrum.
Wie nachhaltig wird diese Bewegung sein?
Sie hat sicherlich einen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs. Aber es ist ein zweischneidiges Schwert. Für diejenigen, die die jüngsten Enthüllungen über die extremen Pläne der Rechtsradikalen abstoßend finden, sind die Demonstrationen eine Art Selbstvergewisserung. Sie zeigen auch, dass die Demokratie gut verankert ist. Auf der anderen Seite verzeichnet die AfD einen Mitgliederzuwachs.
Die Polarisierung der Bevölkerung nimmt also zu?
Sie wird zumindest nicht abgeschwächt. Wir sehen in diesen Tagen eine Zuspitzung der Wortwahl, wenn Vertreter der Parteien der Mitte die AfD als „Nazi-Partei“ bezeichnen. Ob das dazu führt, dass die Bereitschaft sinkt, diese Partei zu wählen, ist fraglich.