Aus den Niederlanden. Das Interesse an Deutsch als Fremdsprache nimmt in den Niederlanden ab. Ein besonderer Tag soll das verhindern – mit Aktionen und Argumenten.

Das Klassenzimmer ist am Morgen mit schwarz-rot-goldenen Fähnchen geschmückt. An der Tafel hängt eine große Deutschlandkarte und auf dem Lehrerpult ist ein kleines Buffet angerichtet. Kein normaler Unterricht also: Zur Feier des „Tages der deutschen Sprache“ vergangenen Donnerstag hat Deutschlehrer Jan Janssen Marmeladen-Berliner, Götterspeise, Bockwürste und selbst gemachte Frikadellen mit Curry-Ketchup in die niederländische Schule mitgebracht.

Normalerweise würde Jan Janssen seinen Schülerinnen und Schülern am Horizon College in Purmerend jetzt etwas von Genetiv, Nominativ und Dativ erzählt. Stattdessen tauchen sie an diesem Tag gemeinsam in einen digitalen Escape-Room ein und treffen in der Allianz Arena auf das Fußballteam vom FC Bayern München.

„Die junge Generation ist kaum noch an der deutschen Sprache interessiert“, erklärt Janssen die doch eher ungewöhnliche Unterrichtsgestaltung. An der Berufsschule wählten von 500 Schülern nur noch 25 Deutsch als Schulfachfach. „Tage wie heute sollen dabei helfen, wieder mehr Schüler dafür zu begeistern.“

Der „Tag der deutschen Sprache“ wurde 2012 erstmals von der „Actiegroep Duits“ ins Leben gerufen und wird in diesem Jahr von rund 200 Schulen im Land gefeiert. Sie wird unter anderem unterstützt von der deutschen Botschaft in Den Haag, der Deutsch-Niederländischen Handelskammer und dem Duitsland Instituut in Amsterdam. Laut der Organisation haben im Jahr 2023 in den Niederlanden rund 52.000 Schüler ihre Abschlussprüfung in Deutsch abgelegt.

Keine geringe Anzahl. Doch eine Statistik vom niederländischen Statikstikinstitut Centraal Instituut voor Toetsontwikkeling (CITO) zeigt, dass das seit 13 Jahren mit Abstand der niedrigste Stand ist. Der Höchststand wurde im Jahr 2018 mit rund 71.000 Absolventen erreicht. Trotzdem ist die Zahl der Abschlussprüfungen in Französisch oder Spanisch noch geringer.

Sprachen an niederländischen Schulen unbeliebter

Ein Trend, der sich im Nachbarland seit längerem abzeichnet. „Der Fremdsprachen-Unterricht ist an niederländischen Schulen generell nicht mehr sehr beliebt“, erklärt Synke Hotje vom Duitsland-Instituut Amsterdam. Die Lehrpläne seien veraltet, findet sie. Es werde viel Grammatik, wenig Literatur und so gut wie keine Kultur gelehrt. „Das finden die Schüler langweilig“, sagt Hotje.

Hinzukommt, dass es im Fach Deutsch einen wachsenden Mangel an Lehrkräften gibt. Dadurch müssen Unterrichtsstunden häufig ausfallen. „Da macht das Lernen natürlich noch viel weniger Spaß“, sagt Wiebke Pittlik vom Duitsland-Instituut. Statt Sprachen wählen viele Schülerinnen und Schüler lieber einen wirtschaftlichen oder naturwissenschaftlichen Schwerpunkt. Da seien auch die Jobaussichten attraktiver.

Mangel an Deutsch-Lehrkräften in den Niederlanden

„Wir befürchten, dass sich der Lehrermangel dadurch in Zukunft noch mehr verschärft“, fügt Hotje hinzu. Allein in den kommenden zwei Jahren werde die Zahl fehlender Deutschlehrer voraussichtlich von acht Prozent auf zehn Prozent steigen. Denn: Wenn weniger Schüler Deutsch lernen, studieren später auch weniger die Sprache. „Ein Teufelskreislauf.“

Die Niederlande suchen deshalb händeringend nach Lehrpersonal für das Unterrichtsfach Deutsch, gerne auch aus Deutschland selbst. „Es gibt einen großen Mangel, der voraussichtlich in den kommenden Jahren noch zunehmen wird“, heißt es seitens des Duitsland Instituuts, das zum Thema auf seiner Internetseite berät und Interessierten den Beruf schmackhaft machen möchte. „Nicht nur aus diesem Grund sind die Niederlande attraktiv für bereits ausgebildete Deutschlehrerinnen, angehende Lehramtsstudierende sowie Quereinsteiger.“

„Tag der deutschen Sprache“ soll Deutsch beliebter machen

Aber ist es im Alltag und auf der Arbeit überhaupt noch so wichtig, Deutsch zu lernen, wenn heutzutage ohnehin fast alle Englisch sprechen? Das dürften sich so einige junge Menschen fragen, die auf der Suche nach einem künftigen Beruf sind. „Ja, denn in Deutschland ist Englisch noch längst nicht so etabliert wie bei uns“, sagt Lehrer Janssen, dessen Familie zum Teil im Nachbarland lebt. „Englisch ist vielleicht die Weltsprache, aber Deutsch ist in Europa die meistgesprochene Handelssprache.“

Auch die deutsch-niederländische Handelskammer aus Den Haag betont vor allem die wirtschaftliche Bedeutung. „Die Niederlande sind Deutschlands wichtigster Handelspartner in Europa“, sagt Geschäftsführer Günter Gülker. Erst im Jahr 2022 erreichte das deutsch-niederländische Handelsvolumen einen Rekordwert von fast 233 Milliarden Euro. Beide Länder sind also geradezu darauf angewiesen, dass die Kommunikation von beiden Seiten der Grenze möglichst reibungslos verläuft.

In den Niederlanden ist mit dem „Tag der deutschen Sprache“ bereits ein Anfang gemacht, um die Nachbarsprache wieder spannender zu machen. Da bleibt die Frage: Wann kommt der „Tag der niederländischen Sprache“ in Deutschland?