Kamp-Lintfort. Das Haus des Bergmanns in Kamp-Lintfort ist ein Museum und erklärt anschaulich, wie eine Bergmannsfamilie um 1920 lebte und sich selbst versorgte
So lange ist es noch gar nicht her – oder doch? Steigt einem da nicht der Duft von frisch aufgebrühtem Filterkaffee und einem noch backofenwarmen Pottweck in die Nase? In der guten Stube ist der Tisch gedeckt, mit Sammeltassen drauf, natürlich. Die Kissen haben den feinen Handkantenknick in der Mitte, an der Garderobe hängt das Kumpel-Outfit samt Henkelmann, und wenn man die knarzenden hölzernen Stufen nach oben nimmt, landet man im elterlichen Schlafzimmer mit Plümmo und Scherenschnitt von Oma und Opa an der Wand. Und im Garten wachsen quer durchs Jahr Stangenbohnen, Zwiebeln, Stachelbeeren, Kartoffeln, Kohlrabi und Co.
Zu Beginn des vorigen Jahrhunderts entstanden rund um die Zeche in Kamp-Lintfort kleine Bergarbeiterhäuschen – eine Siedlung, heute noch „Kolonie“ genannt, nach englischem Vorbild.
Die größte zusammenhängende Bergarbeitersiedlung
Der letzte Schacht ist lange schon stillgelegt, in Kamp-Lintfort wird keine Kohle mehr abgebaut – doch die ehemaligen Bergarbeiterhäuschen gibt es immer noch – renoviert und nach wie vor gemütlich eins neben dem anderen.
Um die 76 Hektar groß ist die Alt-Siedlung, vielsprachlich sind die Bewohner – ein internationaler Schmelztiegel, viele bringen eine (familiäre) Kumpel-Vergangenheit mit. Die 2800 Häuschen mit ihren eng beieinanderliegenden Parzellen bilden heute noch die größte zusammenhängende Bergarbeitersiedlung Deutschlands.
Eines der fein renovierten Zechenhäuschen ist seit einigen Jahren ein Museum, das „Haus des Bergmanns“. Man kann nachspüren und sehen, wie die Menschen früher – und eigentlich auch vor gar nicht so langer Zeit – hier lebten im Schatten der Zechentürme.
Seit vielen Jahren kümmert sich die Fördergemeinschaft für Bergmannstradition, Linker Niederrhein e.V., darum, das nicht vergessen wird, was einst die Stadt prägte und auch wirtschaftlich stark machte.
Plumpsklo im Haus
Und so kann man an der Ebertstraße 88, mitten in der heutigen Siedlung, das 2006 zum Museum gestaltete Zechenhäuschen erkunden, so, wie es vor 100 Jahren ausgesehen haben mag – von der Küche mit Kohlenherd, übers Schlafzimmer, die gute Stube, Plumpsklo und natürlich den kleinen Garten mit Stall, der zur Selbstversorgung diente – für zwei Familien. Die eine Haushälfte zeigt heute mit Liebe zum Detail die Wohnung einer Bergarbeiterfamilie.
Haus des Bergmanns
„Schnibbelbohnen und Rhabarberkompott, Selbstversorgung in einer Bergmannsfamilie“ – bis 27. Oktober 2024 im/am „Haus des Bergmanns“, Ebertstraße 88, 47475 Kamp-Lintfort; mo-fr, 10-14 Uhr, so und feiertags 14-17 Uhr, und auf Anfrage. In 2023 wird der Innenbereich noch umgebaut und neu gestaltet – in diesem Jahr ist deshalb „nur“ der Außenbereich zu besichtigen. Infos: 02842/912446 und www.bergmannstradition.de
Die Fördergemeinschaft für Bergmannstradition betreibt vier Standorte in Kamp-Lintfort: das „Haus des Bergmanns“, den „Schirrhof“, den Lehrstollen und den Förderturm im Zechenpark. Kann man alles besichtigen. Infos: Susanne Rous, 0162-2538981.
Technik-Fans kommen in der zweiten Haushälfte auf ihre Kosten. Grubengeleucht, technische Geräte und vieles mehr informieren über die Arbeit unter Tage – das kann man aktuell nicht besichtigen, es wird gerade noch umgestaltet.
würdigt das „Kulturgeschichtliche Museumsnetzwerk Rhein-Maas“ mit dem „Kulturraum Niederrhein e.V.“ der Bergmannssiedlung ein Projekt. Im Rahmen der Kunstaktion „Erdung“ (mit 25 Sonderausstellungen in 2023 und 2024) öffnet sich der Selbstversorger-Garten für Besucherinnen und Besucher.
Führungen und Schautafeln im Garten
Es gibt Führungen und Aktionen, informative Schautafeln und ein umfangreiches Rahmenprogramm, Motto: „Schnibbelbohnen und Rhabarberkompott“.
„Gärten damals waren nicht zur Erholung gedacht, sondern sicherten die Ernährung“, so Susanne Rous vom Kulturamt der Stadt.
Und auch das Thema Nachhaltigkeit wurde durchaus schon praktiziert. Kann man sich bei Führungen wunderbar erzählen lassen…