Am Niederrhein. Dr. Barbara Strieder, Museums-Kuratorin auf Schloss Moyland, geht in Rente. In 40 Jahren Berufstätigkeit erlebte sie mitunter Abenteuerliches.

Wenn eine nach fast 40 Jahren in den Ruhestand geht, kann sie auf ein langes Berufsleben zurückblicken. Sie kann erzählen von Wendepunkten, von Schwierigkeiten und von der Begegnung mit dem Mann, der ihr Leben am meisten verändert hat. Die Kunsthistorikerin Dr. Barbara Strieder, Beuys-Expertin, Kuratorin und Leiterin der Grafischen Sammlung, ist nach 29 Jahren im Dienst des Museums Schloss Moyland in Rente gegangen, von der Kunst aber kann und will sie auf keinen Fall lassen.

Frau Dr. Strieder, als das Museum Schloss Moyland im Mai 1997 eröffnet wurde, gehörten Sie schon seit drei Jahren zum Team um den Sammler Hans van der Grinten in Kranenburg. Wie muss man sich die Arbeit der Moyländer Pioniere dort vorstellen?

Ich bin am 1. Mai 1994 als wissenschaftliche Mitarbeiterin angefangen. Dort haben wir mit dem Aufbau des Beuys-Archivs, der Bibliothek und des Werkverzeichnisses der publizierten Beuys-Werke begonnen. Auch die Rahmenwerkstatt gab es schon. Gearbeitet haben wir damals im Museum Katharinenhof, die Räume wurden dafür entsprechend umgebaut. Von Kranenburg aus gab es auch die ersten Ausstellungen. Meine Aufgabe war die Inventarisierung der Werke von Joseph Beuys. Weil die van der Grintens vor allem Sammler waren, war es schwierig, eine Systematik zu entwickeln. Meine erste echte Herausforderung aber war die Organisation des Beuys-Symposiums, das 1995 mit gut 600 internationalen Gästen im Kranenburger Bürgerhaus stattfand. Ein tolles Projekt. Zeitgleich habe ich zusammen mit Ron Manheim und Hans van der Grinten den Katalog „Kleine Zeichnungen“ publiziert.

Auch interessant

Wie ging es weiter? In Kranenburg arbeiteten ja alle auf die Eröffnung des Museumsschlosses hin.

Das stimmt. Es war eine echte logistische Leistung, eine Riesensache! Alles musste verpackt werden, damit es den Umzug ins Schloss unbeschadet übersteht. Damit waren wir wochenlang beschäftigt. Mir ging es vor allem um konservatorische Aspekte, um Lichtschutz, richtige Lagerung. Ein bisschen erprobt waren wir da allerdings schon. Wir mussten schon beim großen Hochwasser 1995 die wertvollsten Arbeiten aus dem Haus der van der Grintens in Sicherheit bringen, falls die Deiche brechen würden. Mit der Handkarre haben wir sie damals quer durch Kranenburg in die obere Etage der alten Mühle gebracht. Abenteuerlich.

Was waren Ihre Aufgaben, was hat Sie besonders interessiert?

Im Museum angekommen startete recht schnell die erste Ausstellung. In der Folge sollten es zum Teil 14 pro Jahr werden. Von Mai bis Oktober 1997 zeigten wir Werke von Ron Rooymans, Jan de Bie und Suse Wiegand. Ich war in der ersten Zeit zuständig für die Sammlung, Inventarisierung und den internationalen Leihverkehr. Um die Ausstellungen kümmerten sich Manheim und van der Grinten. Mein erstes persönliches Projekt hatte ich mit der Idee und Umsetzung der Ausstellung zum Kokoschka-Schüler Hans Meyboden 2001. Viele weitere sollten folgen.

Wie sind Sie denn eigentlich an den Niederrhein gekommen?

Ich war ab 1989 die erste Leiterin der neu eröffneten Galerie der Stadt Kornwestheim. 1990 habe ich dort mit „Joseph Beuys – Plastische Bilder“ aus der Sammlung van der Grinten die erste Kunstausstellung gezeigt. Damals knüpfte ich erste Kontakte zu Hans van der Grinten und war begeistert von der Idee Moyland. So wurde Joseph Beuys der Mann, der mein Leben am meisten verändert hat. Ohne ihn wäre ich wohl nicht nach Moyland gekommen.

Was war Moyland für Sie, immerhin haben Sie dort fast Ihre ganze berufliche Zeit verbracht?

Moyland war die Stelle meines Lebens. Hier habe ich viel Herzblut und Lebensenergie hineingesteckt. Wir waren ein unheimlich gutes Team, alle waren begeistert von der Sache. Auch und gerade dann, als es schwierige Zeiten waren, als das Land uns Gelder gestrichen hat. Wir alle haben damals auf Geld verzichtet und zwei Stunden unentgeltlich weitergemacht, pro Woche.

Wie blicken Sie auf Ihre Zeit in Moyland zurück?

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Die Arbeit hat immer unglaublichen Spaß gemacht, es gab keinen langweiligen Tag. Wir hatten so viele tolle Projekte, auch wenn die Schwierigkeiten schon belastend waren. Hab ich eigentlich schon erzählt, dass der Moyländer Weihnachtsmarkt auf meine Initiative zurückgeht? Ich habe den Anfang gemacht und zehn Jahre lang auch die Kunsthandwerker ausgewählt. Als Leiterin der grafischen Sammlung habe ich gemeinsam mit Kollegen das inzwischen bundesweite Jahr der Grafik aus der Taufe gehoben. Moyland war Projektträger, und so hatte das Museum in der Fachwelt einen guten Ruf.

Was machen Sie mit der neu gewonnenen freien Zeit?

Ich bin im Beirat des Kunstvereins Fischerhude in Niedersachsen. Dorthin habe ich familiäre Bindungen und viele Kontakte. Ich kuratiere eine Ausstellung zu Jürgen Brodwolf zum 80. Jahrestag der Hinrichtung der Widerstandskämpferin Cato Bontjes van Beek, die aus Fischerhude stammte.

Gibt es weitere Zukunftspläne?

Ich möchte Künstlernachlässe wie die von Heinrich Breling oder Wilhelm Heinrich Rohmeyer inventarisieren, die sich in der ab 1908 entwickelnden Künstlerkolonie Fischerhude niedergelassen hatten. Dafür hoffen wir gerade auf eine Förderung durch das Land Niedersachsen.

Was wünschen Sie sich für Moyland?

Dass dort der Geist weiterlebt, der uns all die Jahre für unser gemeinsames Projekt Moyland hat brennen lassen.

Und privat?

Dass ich endlich mehr Zeit für meine Familie und Freunde habe und meinem Hobby, dem Stoffdruck, wieder mehr nachgehen kann. Auch um den Garten und das Harfe spielen möchte ich mich mehr kümmern können.

>>> ZUR PERSON

  • Barbara Strieder wurde 1957 in München geboren. Sie studierte von 1976 bis 1986 in Würzburg, Heidelberg und Italien. Promoviert hat sie mit einer Arbeit über den barocken Freskenmaler Johann Zick. 1986 begann sie ihr Volontariat im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt.
  • Als die Diskussion um den sieben Räume umfassenden Block Beuys und der Kauf der Sammlung 1989 unter anderem durch die Hessische Kulturstiftung und die Kulturstiftung der Länder für großen medialen Wirbel sorgte, war Barbara Strieder ebenfalls dabei.