Kevelaer. Kevelaer: Schmuck, Briefe, Fotos – die Nazis nahmen den KZ-Insassen alles. Die Arolsen Archives suchen mit der Wanderausstellung nach Angehörigen.

Peter Will war ein niederländischer Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg. Er machte Pamphlete und rettete abgestürzte Flieger. Als er von seiner bevorstehenden Deportation 1943 erfuhr, schrieb er noch einen Abschiedsbrief an seine Kinder. Er schaffte es nicht mehr ihnen den Brief zu übergeben.

Peter Wills Schicksal ist nur eines von vielen, auf welches bei der Wanderausstellung zur #Stolen-Memory Kampagne der Arolsen Archives vor dem Niederrheinischen Museum in Kevelaer aufmerksam gemacht wird. Die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Arolsen Archives Anke Münster erinnert sich gut an die Geschichte des Mannes: „Sein Brief lag all die Jahre in unserem Archiv. Er überlebte seine Gefangenschaft leider nicht und starb kurz vor Kriegsende auf tragische Weise bei einem Massentransport in einem Vieh-Waggon.“ Eine freiwillige Helferin habe die Söhne des Mannes 2015 ausfindig gemacht. Anke Münster selbst habe den Söhnen dann, 72 Jahre nach dem Verlust des Vaters, den Abschiedsbrief übergeben: „So etwas Bewegendes vergisst man niemals.“

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Um solche Familienzusammenführungen zu ermöglichen, wurde 2016 die #Stolen-Memory Rückgabekampagne ins Leben gerufen und im Rahmen dieser eine Wanderausstellung in Überseecontainern angefertigt. „Vier solcher Container sind unterwegs – zwei in Deutschland, einer in Frankreich und einer in Polen“, erklärt Anke Münster. Zurzeit befindet sich einer davon in Kevelaer auf dem Mechelner Platz vor dem Niederrheinischen Museum und ist dort noch bis zum 1. August, montags bis freitags von 8 bis 17 Uhr, kostenlos zu besichtigen.

Zu Klarheit verhelfen

Der Zweite Weltkrieg und das nationalsozialistische Regime haben viele Familien auseinandergerissen und zerstört. Die Arolsen Archives haben es sich nach dem Krieg zur Aufgabe gemacht, Schicksale von NS-Opfern aufzuklären. Sie geben den Hinterbliebenen persönliche Gegenstände der Deportierten zurück, die ihnen bei der Ankunft in den Konzentrationslagern abgenommen wurden, sogenannte Effekten. Aber nicht nur das: „Wir geben den Angehörigen oft auch Klarheit über den Verbleib eines geliebten Menschen, der im Zweiten Weltkrieg vom einen auf den anderen Tag spurlos verschwunden ist“, erklärt Anke Münster.

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Durch die Zusammenarbeit mit unzähligen Freiwilligen in verschiedenen Ländern konnte die Institution seit 2016 schon 750 Familien ausfindig machen. „Rund 2500 Umschläge mit Effekten müssen wir noch zurückgeben“, sagt Anke Münster, in den 60er Jahren seien es noch 4700 gewesen. Der Großteil der Gegenstände stammt von Holocaust-Opfern aus dem Konzentrationslager Neuengamme, einige wenige auch aus Dachau. Die Wanderausstellung macht auf die Kampagne aufmerksam. Sie zeigt, wie die Arbeit der Archive aussieht und wie Interessierte bei Suchen helfen können. „Freiwillige erhalten von uns Eckdaten zur Person: Name, Verhaftungsgrund, letzter bekannter Aufenthaltsort. Dann durchforsten sie in ihren Städten die Archive und Kirchenregister, auch über Landesgrenzen hinweg“, erklärt sie. Solche Suchen würden oft Jahre in Anspruch nehmen, aber der Erfolg der vergangenen Jahre scheint ihnen Recht zu geben: „Es lohnt sich.“

Fünf Menschen, fünf Schicksale: Die Arolsen Archives suchen noch immer ihre Angehörigen.
Fünf Menschen, fünf Schicksale: Die Arolsen Archives suchen noch immer ihre Angehörigen. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Gesucht und gefunden

Die aufgeklappten Wände des Containers präsentieren Schicksale NS-Verfolgter. Eine Wand zeigt Personen, deren Angehörige noch ausfindig gemacht werden müssen, die andere zeigt Menschen, deren Effekten schon an ihre Familien zurückgeführt werden konnten. Wie das Schicksal des niederländischen Widerstandskämpfers Peter Will mit dem Abschiedsbrief an seine Söhne, hängen auf der Wand der „Gefundenen“ noch weitere Geschichten. Oft sind sie mit einem QR-Code versehen, der zu einem Video führt, in dem ein Hinterbliebener über das Opfer spricht.

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Mit einer Beschreibung zur Person und ihrem Schicksal sowie Fotos des Menschen und seiner privaten Gegenstände, wird die Empathie der Besuchenden der Ausstellung verstärkt. Man erfährt nicht nur etwas über den Holocaust, nicht nur Zahlen und Fakten, sondern ist im Begriff einen Menschen kennenzulernen, der bei seiner Deportation möglicherweise das gleiche Alter hatte wie die eigene Mutter. „Solche Parallelen schaffen Verbundenheit und motivieren zum Helfen“, da ist sich die Leiterin der Arolsen Archives Öffentlichkeitsarbeit Anke Münster sicher.

Der Abschiedsbrief von Peter Will erreichte seine Söhne 2015. Der Widerstandskämpfer verfasste ihn 1943.
Der Abschiedsbrief von Peter Will erreichte seine Söhne 2015. Der Widerstandskämpfer verfasste ihn 1943. © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

Zur Aufklärung beitragen

Auch die Leiterin des Stadtarchives Kevelaer, Janine Weigel, ist überzeugt von der Ausstellung: „Wir sind froh, dass der Container hier direkt vor dem Museum steht.“ In den letzten Jahren habe sich die Stadt Kevelaer verstärkt um die Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit bemüht, erklärt sie und „vielleicht können wir hier vor Ort auch zur Aufklärung einiger Schicksale beitragen.“

Allgemeine Informationen zu den Arolsen Archives

Mit Hauptsitz im nordhessischen Bad Arolsen, sind sie das weltweit größte Archiv über NS-Verfolgte. Als Teil des Unesco-Weltdokumentenerbes haben sie Infos zu 17,5 Millionen Menschen. Die „Arolsen Archives“ wurden nach dem Zweiten Weltkrieg von den Alliierten gegründet. Ein Zusammenschluss aus elf Ländern (Deutschland, Belgien, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Israel, Italien, Luxemburg, Niederlande, Polen, USA) forscht und dokumentiert Wissen über den Holocaust, Konzentrationslager, Zwangsarbeit und Folgen der Nazi-Verbrechen für die heutige Gesellschaft und junge Generationen.

Mehr Informationen über die Arolsen Archives sowie über ihre Arbeit und weitere Projekte finden Sie unter https://arolsen-archives.org/