Den Haag. In den Niederlanden ist die Regierung von Mark Rutte zerbrochen, Neuwahlen stehen an. Wie geht es weiter und was bedeutet das Debakel für Europa?

Nach nur eineinhalb Jahren ist die niederländische Koalitionsregierung von Ministerpräsident Mark Rutte am Streit über die Einwanderungspolitik zerbrochen, Premier Mark Rutte hat am Monatg seinen Rückzug aus der Politik angekündigt.

Neuwahlen im Nachbarland werden für Mitte November erwartet. Die Folgen für die Niederlande und für Europa sind noch nicht absehbar.

Warum ist die Regierung zerbrochen?

Wie viele andere Länder in Europa versuchen die Niederlande, die Zahl der Einwanderer in dem Land einzuschränken. In der Regierungskoalition aus Ruttes Mitte-Rechts-Partei VVD, der politisch ähnlich eingestellten christdemokratischen Partei CDA, der Mitte-Links-Partei D66 und der christdemokratischen Partei Christen Unie herrschte über den Umgang mit dem Thema Uneinigkeit.

Im vergangenen Jahr waren die Aufnahmezentren für Flüchtlinge in dem Land überlastet, Hunderte waren gezwungen, auf der Straße zu schlafen. Ein drei Monate altes Baby starb im August 2022 in einem der Aufnahmezentren. Rutte versprach, der „beschämenden Situation“ ein Ende zu setzen.

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Örtlichen Medien zufolge überraschte der Ministerpräsident seine Koalitionspartner in der vergangenen Woche mit der Forderung, die Zahl der im Land aufgenommenen Kriegsflüchtlinge auf 200 pro Monat zu begrenzen. Dieser Plan löste großen Unmut bei den Koalitionspartnern von Christen Unie und D66 aus. Auch innerhalb von Ruttes VVD gibt es Spannungen beim Thema Einwanderungspolitik.

Wie geht es weiter?

Nach Angaben der niederländischen Wahlkommission können Neuwahlen frühestens im November stattfinden. Das habe insbesondere mit den Sommerferien zu tun, aber sei auch nötig, um den Parteien Zeit für den Wahlkampf zu geben. Es wird die zweite Parlamentswahl in den Niederlanden innerhalb von zwei Jahren sein.

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Das komplexe Mehrparteiensystem des Landes bringt häufig instabile Koalitionen hervor. Auf den jüngsten Urnengang im April 2021 folgten 271-tägige Koalitionsverhandlungen, eine Rekorddauer. Sie führten schließlich im Januar 2022 zur aktuellen Regierungskoalition, der vierten unter Ministerpräsident Rutte seit 2010.

Wer könnte bei Neuwahlen gut abschneiden?

Besonderes Augenmerk wird nun auf die aufstrebende BoerBurgerBeweging (BBB, deutsch: Bauern-Bürger-Bewegung) gelegt werden. Die Partei wurde erst vor vier Jahren im Zuge der Proteste gegen die von der EU unterstützten Klimaschutzpläne gegründet.

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Die Proteste richteten sich gegen die Pläne der Regierung, Viehbestände zu reduzieren, um Umweltschäden und Treibhausgasemissionen zu begrenzen. Die BBB gewann Anfang des Jahres die meisten Sitze bei den Provinzwahlen und will nun auch bei der Parlamentswahl hinzugewinnen.

Der rechtsextreme Abgeordnete Geert Wilders und seine rechtspopulistische Anti-Islam-Partei PVV sind in der niederländischen Politik ebenfalls eine starke politische Kraft, auch wenn ihre Zustimmungswerte seit 2021 zurückgehen. Die derzeitigen Koalitionspartner CDA und die D66 könnten den Medien zufolge die größten Verlierer bei der anstehenden Wahl werden.

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Was sind die Auswirkungen für Europa?

Die Niederlande könnten als Mahnung für andere europäische Länder dienen. Die Europäische Union ist im Umgang mit tausenden Migranten, die den Kontinent erreichen wollen, ebenfalls zerstritten. Nationalistische Parteien erleben einen Aufschwung. In Italien ist bereits eine ultrarechte Regierung an der Macht. In Spanien könnte die ultrarechte Partei Vox der große Gewinner der anstehenden Neuwahl werden. (AFP/red.)