Kevelaer. Aktuell ist Lämmchen-Saison auf dem Rouenhof in Kevelaer. Mit zwei Tieren hat Bernd Verhoeven nun sterbenskranke Menschen im Hospiz besucht.
Die Lämmer klettern gerade einen kleinen Berg aus Holzscheiten hoch, immerhin haben sie von dort oben einen super Blick über den Rouenhof, als ein lautes „Määäh“ erklingt. Sofort springen einige von ihnen herunter und laufen zurück zum Stall, um kurz bei der Mama vorbeizuschauen. Anschließend geht’s schnell wieder nach draußen auf Erkundungstour. Dabei weht an diesem Tag ein „fieser Ostwind“, wie der Kevelaerer Landwirt Bernd Verhoeven erklärt. „Und das mögen Ziegen eigentlich gar nicht.“ Deshalb haben es sich auch die meisten, nicht ganz so neugierigen, Tiere drinnen auf dem Stroh gemütlich gemacht.
Dass unter ihren Hufen überhaupt Stroh liegt, unterscheidet den Biolandbetrieb von vielen anderen Höfen. „Wir betreiben eine Kreislaufwirtschaft“, sagt Bernd Verhoeven. Was das bedeutet? Kann er natürlich nicht nur erklären, sondern auch zeigen. „Schaut mal dort drüben“, ruft er und zeigt auf einen dampfenden Misthaufen. „Da ist ein chemischer Prozess im Gang, den man sehen kann. Ohne Stroh würde da nichts qualmen.“ Erst das Stroh bindet den Stickstoff, der später durch Regenwürmer und Co. als natürlicher Dünger im Ackerboden landet.
Fleisch, Milch und Käse vom Rouenhof in Kevelaer
Die Folge: Der Humusgehalt im Boden steigt und das wiederum ist ein echter Pluspunkt. Denn Humus bindet CO2, ist also besonders klimafreundlich. Die „Auswirkungen der Schadgase von Tieren auf das Weltklima“ hat Bernd Verhoeven bereits vor 35 Jahren während seines Studiums untersucht. Das Thema treibt ihn um, macht ihn mitunter auch wütend. Denn natürlich ist es eine Geldfrage – Fleisch, Milch oder Käse kosten in seinem Hofladen mehr als im Discounter um die Ecke. „Viele sind nicht bereit, mehr zu bezahlen“, sagt er. „Weil sie noch nicht verstanden haben, wie der Klimawandel funktioniert.“
Die Ziegen lassen sich von so weitgreifenden Gesprächsthemen zumindest nicht beirren, sondern trotten gemächlich durch den Stall, knabbern zwischendurch an Schnürsenkeln oder Reißverschlüssen. Haben die eigentlich alle Namen? „Nicht alle, aber ein paar“, antwortet Bernd Verhoeven und ruft direkt mal nach Svenja, die allerdings erst auf ihren Kosenamen Svennie reagiert. Ihre Freundin Pudernase ist etwas flotter unterwegs, aber die ist schließlich auch etwas jünger. „Mit zehn, zwölf Jahren bauen Ziegen langsam ab“, erklärt er. Svenja fehlen deshalb schon drei Zähne.
Mit zwei Lämmern zu Besuch im Hospiz
Aber zu Bernd Verhoeven kommt die alte Dame trotzdem noch gern angelaufen, um sich ein paar Tätscheleinheiten abzuholen. Die Beziehung zwischen Mensch und Tier kann faszinierende Ausmaße annehmen, das zeigt sich gerade dann, wenn Gruppen eines Altenheims oder Lebenshilfe mal wieder den Rouenhof besuchen. An ein Erlebnis kann er sich dabei noch gut erinnern: „Die Betreuerin meinte, dass Fred, ein Rollstuhlfahrer, seit einem Jahr nicht mehr sprechen würde.“ Da war die Überraschung aber groß, als er ein Lamm streichelte und plötzlich sehr wohl wieder redete…
Emotional wurde es auch, als Bernd Verhoeven vor wenigen Wochen mit zwei Lämmern und seinem Dackel Hexe ein Hospiz in Rheinberg besuchte. „Eine Dame hatte extra ihr Lieblingskleid angezogen und als das Lamm auf ihrem Schoß saß, ist erst das Tier und dann auch sie eingeschlafen“, erzählt er. Vielleicht sind es Kindheitserinnerungen, die wieder hochkommen, vielleicht beruhigt aber auch das freundliche Wesen der Tiere. Ja, richtig gelesen, Ziegen sind nicht nur intelligent, sondern auch sozial. Der beste Beweis steht mitten im Stall, ist ziemlich flauschig und heißt Victoria.
Schaf Victoria von Ziegen adoptiert
„Schafe sind blöd“, hält der Landwirt fest. „Die hauen aus Versehen sogar den eigenen Nachwuchs um.“ Als ein Schäfer die von der Mutter verstoßene Victoria, oder auch liebevoll Vici genannt, zum Rouenhof brachte, wurde sie sofort von den Ziegen adoptiert. Mittlerweile lebt sie seit gut zehn Jahren als weißschwarzes Schaf unter weißen Ziegen. Gerade ist übrigens Lämmchen-Saison, bis Ostern werden rund 300 geboren sein. „Die Ziege da drüben hat einen so dicken Bauch, die lammt wahrscheinlich morgen früh“, weiß Bernd Verhoeven, nachdem er einen kurzen Blick auf das Tier geworfen hat. Und das Kleine da vorne? „Ist heute Morgen geboren worden.“
Das ist natürlich sehr süß, aber der Landwirt muss auch von den Tieren leben können. „Die Hälfte sind Jungs und geben keine Milch“, sagt er. Dementsprechend werden sie nach drei, vier Monaten geschlachtet. Bis dahin aber führen alle Lämmer ein freies Leben, wachsen bei der Mutter auf und erkunden weiter den Rouenhof. Es gibt ja noch viel zu entdecken, auch bei fiesem Ostwind.
>>> Produkte vom Rouenhof in Kevelaer
Ziegenkäse schmeckt streng? Von wegen! So wie es auch im Stall kaum riecht („Das liegt am Stroh!“, erklärt Bernd Verhoeven), kann Ziegenkäse auch ganz mild schmecken.
Rund 40 verschiedene Käsesorten, darunter „Rosmarin“, „Bockshornklee“ oder auch „Der Hinterhältige“ (Vorsicht, scharf!), werden in der hofeigenen Käserei nach organisch-biologischen Grundsätzen hergestellt.
Außerdem gehört zum Rouenhof eine eigene hofeigene Metzgerei – aktuell hat Lammfleisch Hochsaison. Weitere Infos: www.rouenhof.de
Der 500 Jahre alte Bauernhof liegt am Fuße der Sonsbecker Schweiz, genauer gesagt an der Sonsbecker Straße 40 in Kevelaer. Der Hofladen hat jeden Samstag von 10 bis 14 Uhr geöffnet.