Düsseldorf. Dietmar Schönhoff hat sich auf Spurensuche begeben. Er weiß nun, wo Joseph Beuys in Düsseldorf gelebt, diskutiert – und Kaffee getrunken hat.
Federnden Schrittes und breit lächelnd kommt Dietmar Schönhoff zum vereinbarten Treffpunkt. Vorm Eingang des Familienministeriums gibt’s zur Begrüßung erst einmal einen Ellenbogen-Check. Kann’s direkt losgehen? Klar! Und damit startet der Spaziergang durch die Innenstadt, die Zeitreise zu Joseph Beuys’ Lebensabschnitt hier in Düsseldorf. Wobei es für den ersten Stopp nur kurz um die Ecke geht, zu einer prächtigen Eiche mit einer davor platzierten Basaltstele. „Das Kunstwerk hat eine besondere Bedeutung“, betont Schönhoff. „Es ist in Düsseldorf das einzige von Beuys, das im öffentlichen Raum steht.“
Nachdem Beuys auf der documenta in 1982 sein Landschaftskunstwerk „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ vorgestellt hatte und in den Folgejahren 7000 Eichen in Kassel gepflanzt wurden, entstand ein Jahr später „Eiche und Basalt“ in Düsseldorf. „Er hat den Baum hier höchstpersönlich gepflanzt“, hält Schönhoff fest. Und beantwortet direkt im nächsten Atemzug die Frage, die bei Beuys’ Werken immer schnell auftaucht. Was will uns der Künstler damit sagen? „Beuys hat hier konkrete Hinweise gegeben. Die Eiche steht als lebende Materie der toten Basaltsteele gegenüber und unterstreicht damit, dass Bäume für uns alle lebenswichtig sind.“
Polizeibeamter als Beuys-Experte
Doch allzu lange will Schönhoff am symbolträchtigen Kunstwerk nicht verweilen, zu viel gibt es bei der Spurensuche noch zu entdecken. Denn Spuren, davon hat der Künstler einige in der Düsseldorfer Innenstadt hinterlassen. Auf den ersten Blick sind sie zwar nicht immer sichtbar, doch Schönhoff kennt sie alle. Aber wieso eigentlich? Wieso ist ein pensionierter Polizeibeamter ein ausgewiesener Beuys-Experte? „Ich hatte immer ein Faible für Kunst“, erklärt er. „Und der Name Beuys war mir schon früh präsent, weil Anatol Herzfeld, ein Schüler von Beuys, einer meiner Kollegen bei der Polizei war.“
Intensiver beschäftigte sich Schönhoff mit Beuys allerdings erst nach seiner Pensionierung. Er las sämtliche Publikationen, besuchte „fast jedes Museum, in dem Kunst von Beuys zu sehen ist“, schrieb das Buch „Mit Beuys durch Düsseldorf“. Und bietet seitdem Stadtführungen an. Wie viel Spaß ihm diese Gespräche über den Ausnahmekünstler machen, zeigt sich schon nach wenigen Minuten. Wenn er zum Beispiel von einem Paar erzählt, das extra aus Frankfurt anreiste, um sich von ihm zu den wichtigsten Beuys-Stationen führen zu lassen. Dazu zählt übrigens auch die nur wenige Meter entfernt stehende Statue von Johannes Rau, der in seiner Funktion als Wissenschaftsminister 1972 Beuys fristlos entlassen hatte.
Die Heimholung von Joseph Beuys
Und hier kommt Beuys’ wohl berühmtester Satz ins Spiel: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Wenn aber jeder Mensch ein Künstler ist, müsste doch jeder auch zum Kunststudium zu gelassen werden. Fand zumindest Beuys und nahm jeden Interessierten bei sich in der Klasse an der Düsseldorfer Kunstakademie auf. Als sich daraufhin über 400 Studierende bei ihm eingeschrieben hatten, zog das Land NRW die Reißleine. Sechs Jahre dauerte der Rechtsstreit, bevor es zu einem Vergleich kam und Beuys seinen Professorentitel sowie sein Atelier in der Kunstakademie behalten durfte.
Die Studierenden versuchten aber schon vorher ihren Lehrer zurückzuholen, für diese Geschichte führt Schönhoff nun runter zum Rheinufer. „Dort drüben liegt Oberkassel und der Drakeplatz, der Wohnort von Beuys“, sagt Schönhoff und zeigt in Richtung Stromkilometer 744. Eines Tages holte Anatol Herzfeld dort seinen Lehrer ab, um ihn mit einem selbstgebauten Kanu über den Rhein zu fahren. „Das war die Heimholung von Beuys.“
Fischgräten an einer Wäscheleine
Plaudernd geht’s weiter über die Rheinpromenade bis zu einer Dönerbude am Burgplatz. „Hier war früher die Eat Art Gallery untergebracht“, so Schönhoff. „Unten war die Bar und über eine Treppe ging es nach oben in die Galerie. Alles was in der Kunstwelt Rang und Namen hatte, ging hier ein und aus.“ Natürlich auch Beuys, der hier sogar eine Aktion startete. Mit Fischgräten, die er erst an eine Wäscheleine hing und anschließend auf Blätter geklebt für 200 Mark verkaufte. Was es damit auf sich hatte? Da zuckt selbst der Experte mit den Schultern.
Einbiegen in die Kurze Straße und schon nach wenigen Metern taucht der Laden auf, in dem Beuys einst das „Büro für direkte Demokratie für Volksabstimmung“ gegründet hatte. „Er stand hier draußen, hat die Leute angehalten und mit ihnen diskutiert“, erzählt Schönhoff. Diskutieren, das konnte Beuys. Am liebsten aber setzte er sich dazu in sein Lieblingslokal, ins Ohme Jupp. Nur wenige Gehminuten von der Kunstakademie entfernt traf er sich hier jeden Morgen um 10 Uhr mit einer kleinen Gruppe von Studierenden, um mit ihnen über Kunst, Gesellschaft, Politik zu diskutieren.
Auf einen Kaffee mit Beuys
„Sollen wir mal kurz rein?“, fragt Schönhoff und öffnet schon die Tür. Lünkern ist erlaubt. Hinten links am Fenster saßen sie, tranken gemeinsam einen Kaffee. „Das ging so lange gut, bis der Wirt zu ihnen kam und sagte, dass sich ein Gast aufregte“, so Schönhoff. Worüber? Na über den Hut, den Beuys nie absetzte. Der ließ sich jedoch nicht beirren und traf sich mit seinen Studierenden einfach die nächsten Male im Lokal schräg gegenüber. Hier durfte Beuys noch Beuys sein. Und seinen Hut tragen.
>>> Beuys & Bike in Düsseldorf
Herzlichen Glückwunsch, Joseph Beuys! In diesem Jahr wäre der Künstler vom Niederrhein 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass hat NRW Tourismus die Radtour „Beuys & Bike“ konzipiert, die verschiedene Stationen seines Lebens auf einer Strecke von 300 Kilometern miteinander verbindet.
Wer in Düsseldorf Halt macht, kann sich gemeinsam mit Dietmar Schönhoff auf Spurensuche begeben. Informationen dazu gibt es im Internet unter www.duesseldorf-tourismus.de
Sehenswert ist in auch die noch bis zum 15. August laufende Ausstellung „Jeder Mensch ist ein Künstler“ im K20. Gegenüber an der Kunsthalle ließ der Künstler James Lee Byars übrigens nur wenige Monate nach Beuys’ Tod aus Trauer „rote Tränen“ über die Fassade laufen. Und zum Abschluss des Besuchs darf natürlich ein Käffchen von Ohme Jupp nicht fehlen. Ganz im Sinne von Beuys.
Alle bereits erschienen Teile unserer Serie „Beuys entdecken“ finden Sie hier.