Essen. . Mit pinken Outfits und Transportboxen gehören Foodora-Fahrer längst zum Stadtbild. Für die Kuriere ist enormer Zeitdruck Teil des Geschäfts.
Ein schriller Ton erklingt, die Foodora-App meldet sich unüberhörbar. Für Stephan Gutknecht der Startschuss: Er greift zum Telefon, denn eine neue Bestellung ruft. Seit eineinhalb Jahren fährt der 29-Jährige für den Lieferservice Foodora. Am Rüttenscheider Stern loggt sich der Student in die App ein, die ihm die nächsten vier Stunden den Weg weisen wird. Übers Handy werden Restaurants und Kundenadressen mitgeteilt.
Mit ihren pinken Outfits und Transportboxen gehören Foodora-Fahrer längst zum Stadtbild. Für Gastronomen, die sonst keinen Lieferservice bieten, treten die Kuriere in die Pedale. Die Bestellung der Kunden erfolgt online. In 30 Minuten soll die Auslieferung erfolgen, so das Versprechen des Unternehmens. Für die Kuriere ist es ein Wettlauf gegen die Zeit.
Die App gibt den Takt vor
In 15 Minuten sollen sieben Döner abgeholt werden. Das Lokal ist nur einen Steinwurf entfernt, die Rechnung von 35,60 Euro bereits online bezahlt. Ein Nachteil für den Fahrer: „Ich hab gerade gar kein Bargeld zur Hand“, hört Gutknecht häufig an den Türen. Dennoch kommen im Monat etwa 200 Euro Trinkgeld zusammen, sagt Gutknecht, der als Teamleiter zehn Euro die Stunde verdient – normale Fahrer erhalten neun.
Die Döner sind verstaut, der Kurier zieht seinen Helm auf, schnallt sich die Transportbox auf seinen Rücken und radelt los. 3,8 Kilometer bis zum Kunden, aber nur noch 15 Minuten Zeit. Gutknecht tritt in die Pedale, die App mag keinen Stillstand. Vincent Pfeifer, Foodora-Sprecher, bestätigt, dass die Kuriere vertraglich verpflichtet sind, in einem gewissen „schaffbaren“ Zeitfenster Speisen auszuliefern.
App ermöglicht Kontrolle der Kuriere
Mit jedem Pedalschlag rückt das Zeitlimit näher. Der App, ein schleichendes Uhrwerk, bloß ohne Ticken, entgeht nichts. Sie überwacht permanent die Arbeitsleistung. Alles, so Gutknecht, wird zeitlich erfasst: Die Reaktionszeit am Smartphone, der Weg zum Kunden, selbst die Zeit für den Gang durchs Treppenhaus. Firmensprecher Pfeifer sagt, es gehe dabei nicht um Kontrolle, sondern um Daten für die App, um die Fahrer effizient einsetzen zu können.
Doch welche Konsequenzen hat es, wenn ein Kurier zu langsam ist? „Wir suchen das Gespräch mit dem Fahrer, da wir interessiert sind, Mitarbeiter so lange wie möglich zu halten“, sagt Pfeifer. Verbessere sich die Situation nicht, folge ein zweites Gespräch.
Mit Foodora begann die Begeisterung für den Radsport
Ein Problem, das Gutknecht nicht kennt. Bei der ersten Lieferung radelt er deutlich schneller als das vom Unternehmen geforderte Durchschnittstempo von 14 Stundenkilometern. Das Zeitlimit wird trotzdem knapp überschritten. Den Kunden stört es nicht.
„Während der Arbeit mache ich Leistungssport, werde nur schlechter bezahlt“, sagt Gutknecht und lächelt. Mit der Werkstudentenstelle begann für den 29-Jährigen die Begeisterung für den Radsport. Die Zeitlimits der App sieht er als Ansporn. Bis zu 700 Kilometer lege er im Monat auf seinem Rad zurück.
Foodora möchte die Regenkleidung verbessern
Doch nicht jeder geht bei seiner Arbeit auf, bei Foodora gebe es ein Kommen und Gehen, so Gutknecht. „Manche bleiben einen Monat, jede Woche sieht man neue Gesichter“, sagt er. Soziale Kontakte ergeben sich dennoch. Jeden Fahrer, dem er an diesem Tag begegnet, grüßt er mit Namen.
Am meisten stört den Kurier schlechtes Wetter. Bei Regen steigt die Zahl der Bestellungen und damit der Stress. Zum anderen stellt er die Funktionalität der bereitgestellten Regenjacken in Frage. „Fahrer werden komplett nass“, sagt Gutknecht, der sich bessere Outdoor-Kleidung wünscht. Bei Foodora sei das Problem bekannt: „Wir wissen, dass die Regenkleidung nicht das hält, was sie verspricht. Wir prüfen aktuell neue Modelle“, so Pfeifer.
Gewerkschaft kritisiert Niedriglöhne
Gegenwind gibt es auch von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten: Sie kritisiert, dass Fahrer ihre Arbeitsgeräte vom Fahrrad bis zum Smartphone selbst mitbringen und bei Defekten auf eigene Kosten ersetzen müssen. „Damit werden die Stundenlöhne, die vergleichsweise sehr niedrig sind, nochmals unterschritten, unter das Niveau des gesetzlichen Mindestlohns“, sagt eine Sprecherin.
Seit diesem Jahr bietet Foodora eine Verschleißpauschale. Laut Pfeifer können Fahrer monatlich bis zu 42 Euro als Gutschrift für Reparaturen und Ersatzteile erhalten.
Für die Döner erhält Gutknecht zwei Euro Trinkgeld. Schon erklingt das schrille Tonsignal für die nächste Fahrt. Der digitale Dirigent streicht die Pause. Gutknecht trinkt einen Schluck Wasser und schwingt sich aufs Fahrrad.