Essen. . Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger will das Unternehmen verlassen. Es ist ein Rückzug, der Gründe hat.
Am Ende war es nicht das angeblich verflixte siebte Jahr, sondern das achte: Dass sich die Wege von Heinrich Hiesinger und Thyssenkrupp trennen, kommt überraschend, aber es hat in den vergangenen Wochen Hinweise und Andeutungen gegeben. Von atmosphärischen Störungen bei Diskussionen im Aufsichtsrat war hinter vorgehaltener Hand die Rede. Auffällig ist schon seit Monaten, dass die Krupp-Stiftung als größter Einzelaktionär keine Signale der Unterstützung für Hiesinger ausgesandt hat, obwohl der langjährige Vorstandschef angesichts der Kritik aggressiver Finanzinvestoren massiv unter Druck stand.
Nun kommt es zum Bruch. Hiesinger geht in einem Moment, in dem er einen sichtbaren Erfolg aufweisen kann: die Trennung vom Stahl und damit einen entscheidenden Schritt zum Umbau von Thyssenkrupp zu einem breit aufgestellten Industriekonzern.
Wohin steuert Thyssenkrupp nun?
„Ich gehe diesen Schritt bewusst, um eine grundsätzliche Diskussion im Aufsichtsrat über die Zukunft von Thyssenkrupp zu ermöglichen“, heißt es in der Abschiedserklärung von Hiesinger, aus der sich herauslesen lässt, dass er mangelnden Rückhalt gespürt haben muss. „Ein gemeinsames Verständnis von Vorstand und Aufsichtsrat über die strategische Ausrichtung des Unternehmens ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Unternehmensführung“, schreibt der scheidende Konzernchef. Das lässt tief blicken.
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Seit der Hauptversammlung im Januar verfügt auch Krupp-Stiftungschefin Ursula Gather über einen Sitz im Aufsichtsrat. Viel hängt also im Unternehmen davon ab, wie sich Gather positioniert. Die Rektorin der TU Dortmund war in der Stiftung vor fünf Jahren auf die Industrielegende Berthold Beitz gefolgt. Zweitgrößter Aktionär hinter der Stiftung ist der schwedische Finanzinvestor Cevian, der sich schon häufig kritisch zu Hiesinger geäußert hat.
Druck von Finanzinvestoren
Dass es ungemütlich für den Vorstandschef werden könnte, hat sich schon vor einigen Wochen abgezeichnet, als klar wurde, dass der einflussreiche US-Finanzinvestor Elliott auf eine Ablösung von Hiesinger hinwirkt. Das „Handelsblatt“ zitierte vor einigen Tagen einen hochrangigen Fondsmanager von Elliott mit den Worten, Hiesinger stelle sich „seit sieben Jahren nicht den wichtigen Herausforderungen“. Die Schlussfolgerung: „Wenn die deutsche Fußballmannschaft so lange kein Spiel mehr gewonnen hätte, wäre dann noch der gleiche Trainer im Amt?“
Schwerer als der Widerstand von Elliott wiegt wohl, dass es auf dem Weg zur Unterschrift für die Stahlfusion ein ums andere Mal Spannungen im Aufsichtsrat gegeben haben muss, in dem Elliott nicht vertreten ist. Als es zur Abstimmung zum Joint Venture kam, sollen drei der zehn Aufsichtsräte der Kapitalseite nicht für Hiesingers Pläne gestimmt haben: Jens Tischendorf, der Cevian-Vertreter, und Ex-Telekom-Chef René Obermann waren dem Vernehmen nach dagegen. Carola Gräfin von Schmettow, Chefin der Düsseldorfer Bank HSBC Deutschland, habe sich enthalten.
„Ohne ihn würde es Thyssenkrupp nicht mehr geben“
In Hiesingers Umfeld wird betont, er sei nicht zu einem Rückzug gedrängt worden, sondern habe selbst die Entscheidung getroffen.
Thyssenkrupp-Aufsichtsratschef Ulrich Lehner lobte Hiesinger mit den Worten, der Vorstand unter Leitung von Hiesinger habe das Unternehmen „aus einer existenzbedrohenden Krise befreit“. Mehr noch: „Ohne Heinrich Hiesinger würde es Thyssenkrupp nicht mehr geben.“ Am Freitag soll sich der Aufsichtsrat treffen, um über den Rückzug von Hiesinger zu beraten. Die Nachfolge ist offen.