Duisburg. . Im Herbst will die Stadt Duisburg den neugestalteten Park wiederöffnen. Im neuen Park drohen die alten Probleme mit der städtischen Drogenszene.

Aktuelle Jagdszene im Duisburger Kantpark am Mittwoch in dieser Woche: „Halt stehenbelieben, Polizei!“. Dies ist nicht wirklich die zielfühernde Ansprache an einen mutmaßlichen Drogendealer im Kantpark, die ihn dazu bringt, brav auf eine Doppelstreife der Polizei zu warten.

Flink wie ein Wiesel läuft der Mann in Richtung Lehmbruck Museum davon, die vier Polizeibeamten, die von der Friedrich-Wilhelm-Straße ein mutmaßliches Drogengeschäft im Park beobachten hatten, müssen sich erst durch Zäune der aktuellen Baustelle einen Einlass bahnen. Unterdessen hat der Fliehende abrupt seine Fluchtrichtung geändert, an der Tonhallenstraße verschwindet er unerkannt. Räuber und Gendarm, manchmal auch Hase und Igel: Alltag im Kantpark.

Nur noch wenige Wochen, bis im Herbst die Stadt Duisburg nach dann knapp zweijähriger Umbauzeit den für 1,4 Millionen Euro Steuergeldern neu gestalteten Kantpark der Bevölkerung zurückgeben will. Nachdem die städtische Grünverwaltung den Park jahrzehntelang mehr oder minder sich selbst überlassen hatte und sich dann in den 1980er Jahren eine harte Drogenszene im Schutze von Gestrüpp und dunklen Mauereckchen im Park häuslich niedergelassen hatte, soll die jetzt noch laufende Renovierung des Kantparks künftig für eine „aufgelockerte Einteilung“ und eine neue klare Sicht sorgen.

30 heroinsüchtige Dauerbewohner im Kantpark

Ein Viertel der 400 Bestandsbäume musste der neuen Sicht der Dinge weichen. Die heimliche Hoffnung der Stadtplaner: In einem neuen Kantpark ohne dunklen Ecken findet auch eine alte Drogenszene keinen guten Unterschlupf mehr.

Dieser Hoffnung kann schon jetzt Söke Dinkla, Direktorin des Wilhelm-Lehmbruck Museums, eine Absage erteilen: Denn etwa 30 meist heroinsüchtige Dauerbewohner des Kantparks haben sich schon in der Umbauphase, mangels schützenden Gestrüpps, nunmehr direkt an den Fenster-Nischen des Lehmbruck-Traktes eine neue Heimat gesucht und gefunden.

Müllecke mit benutzter Heroinspritze, Aluminiumschnipsel, Feuerzeuge, Pflaster an einem Panorama-Fenster des Lehmbruckmuseums.
Müllecke mit benutzter Heroinspritze, Aluminiumschnipsel, Feuerzeuge, Pflaster an einem Panorama-Fenster des Lehmbruckmuseums. © se

Konsequenz: So mussten 200 illustre Gäste einer Ausstellungseröffnung – vom Elend getrennt nur durch eine Panoramascheibe - schockiert die Prozedur einer Drogenspritzung an intimer Körperstelle mitbetrachten. Dass die Umgestaltung des Kantparks kein Allheilmittel gegen die Drogenszene sein würde, sei aus ihrer Sicht und aus Sicht aller an den Planungsworkshops Beteiligten zu erwarten gewesen, sagt die Museumsdirektorin. „Für uns ist es natürlich unangenehm und langfristig schädlich, wenn der Eindruck der Museumsbesucher dadurch geprägt wird, dass sie unfreiwillig mit dem Drogenhandel und seinen Folgen konfrontiert werden.“

Dieses Problem wurde schlicht ignoriert

Drogenbesitz, Drogenkonsum und Drogenverkauf im Duisburger Kantpark: Oft genug unfreiwillig registriert von Besuchern des Parks, des Museums, des Café Museums, von Schülern und Lehrern des angrenzenden Steinbart-Gymnasiums.

Gesundheitsdezernent  Dr. Ralf Krumpholz
Gesundheitsdezernent Dr. Ralf Krumpholz © Volker Herold

Trotzdem, so beteuert Ralf Krumpholz, Gesundheitsdezernent der Stadt Duisburg, sei es „nie Ziel der Neuplanung des Kantparkes“ gewesen, mit Baumschnitt und neuen Wegen die Drogenszene zu verdrängen. Krumpholz: „Sie muss sich aber adäquat verhalten!“ Tue sie das nicht, werde man dies als Stadt mit Hilfe des Sonderaußendienstes des Ordnungsamtes und mit Unterstützung der Polizei aber nicht tolerieren. Eine hundertprozentige Überwachung gebe es aber leider nicht.

Methadon-Ambulanz, Streetworker

Könnte die Stadt nicht vorausschauend und proaktiv den suchtkranken Menschen im Park medizinische Hilfe anbieten und auf diese Weise den kleinen Kantpark in steinerner Stadtmitte freimachen für Tausende von Duisburgern, die allzu sehr auf Stadtgrün und Naherholung angewiesen sind?

Denn: Wem gehört das bisschen Natur im Kantpark? Wenigen drogensüchtigen Bürgern oder vielen drogenfreien Bürgern? Solange sie keine Straftaten begingen, sagt der Dezernent, dürften sich Drogensüchtige im Kantpark aufhalten. Gleichwohl habe man im Zuge der Neuplanung des Parks auch ein Gesundheitskonzept unter anderem mit einer Methadon-Ambulanz und zwei Streetworkern für die Junkies erarbeitet. Der Nachteil dieses Hilfeprogramms: Es würde eine Millionen Euro pro Jahr kosten; Geld, das die hoch verschuldete Stadt einfach nicht zur Verfügung habe.

Drogensüchtige werden durch viel Publikum verdrängt

Im übrigen sei nie der ganze Park von dem Drogenproblem in Besitz genommen worden, weswegen er sicher sei, dass sich die Bürger ihren Park schon bald zurückholen würden. Und dann formuliert der städtische Dezernent doch noch die heimliche Hoffnung der Planer: „Schauen wir mal, was die bauliche Änderung des Parks an der Drogensituation ändert!“

Ein Schild hält Besucher des Kantparks dazu an, in Gefahrensituationen die Polizei zu alarmieren.
Ein Schild hält Besucher des Kantparks dazu an, in Gefahrensituationen die Polizei zu alarmieren. © Lars Fröhlich

Zudem würden Drogensüchtige ohnehin durch viel Publikum verdrängt, sie suchten die Anonymität. Letztendlich, so Krumpholz, bleibe es ein polizeiliches Problem. Versuche, die Drogenszene zu verlagern, seien schon in anderen Städten gescheitert, außerdem hätte man in Duisburg ohnehin nicht gewusst, wohin mit ihr. Bei einem seit Jahren tagenden „Runden Tisch Kantpark“, so Krumpholz, würde zudem die Möglichkeit einer Videoüberwachung am Museum ventiliert, für eine bessere Beweisführung, wenn Straftaten passieren. Wer kann das bezahlen? Achselzucken. Auch spreche die Polizei ja viele Platzverweise im Park aus. Der Kantpark sei also kein rechtsfreier Raum.

Der Kantpark ist für viele zum Angstraum geworden

Aber: Der Kantpark ist für viele Duisburger zu einem Angst-Raum geworden, zu einem Ort des Unbehagens, um den die Menschen einen Bogen machen, weil er unkalkulierbar geworden ist.

Das weiß auch Thomas Werner, Leiter der Polizeiwache im Präsidium: Strafanzeigen, Platzverweise, Bereichsbetretungsverbote (der „große Bruder“ des Platzverweises), vorläufige Festnahmen sind das polizeiliche Instrumentarium, das im Kantpark regelmäßig eingesetzt werde. Konkrete Zahlen zum Kriminalitätsgeschehen an einem einzelnen Ort, wie etwa dem Kantpark, werden von der Polizei nicht erhoben. Doch: Überall da, wo Drogen konsumiert und illegal gehandelt würden, komme es zwangsläufig zu Beschaffungskriminalität.

HSV-Fraktion fordet begleietnde Maßnahmen

Auf Drogenbesitz, illegalen Handel und Raubüberfälle reagiere die Polizei proaktiv mit Schwerpunktkontrollen (zuletzt am 14. Mai), mit Streifendienst zusammen mit der Stadt. Die Hundertschaft, die Hundestaffel, die City-Wache und die Kripo, sie allen seien in Abständen immer wieder unterwegs im Kantpark. Zu wenig sichtbare Polizei? Werner: „Wir sind sehr oft zivil und verdeckt im Park unterwegs!“

Unterdessen hat bereits die neue kleine HSV-Fraktion im Stadtrat genau dazu einen Antrag für die kommende Juli-Ratssitzung eingebracht: Die Verwaltung möge parallel zur Umgestaltung des Kantparks begleitende Maßnahmen zum Umgang mit der Trinker- und Drogenszene einleiten und umsetzen.

Die Fraktion Junges-Duisburg/DAL bemängelt im Rahmen des Neugestaltungsprozesses den Umgang mit dem Thema Drogenszene: „Dieses Problem wurde schlicht ignoriert. Mit neuen Pflastersteinen, modernen Laternen und schönen Bänken allein löst man die Probleme nicht.“

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Wie die lokale Politik das Thema „Neuer Kantpark und alte Drogen-Probleme“ sieht, beleuchten wir in der kommenden Woche mit einer Umfrage in den Ratsfraktionen.