Düsseldorf/Kleve. . Amed A. saß in Kleve zu Unrecht im Gefängnis und starb dort nach einem Zellenbrand. Sein Tod wirft laut SPD immer neue Fragen auf. Ein Überblick.
„Der Tod von Amed A. wirft immer mehr Fragen auf“, sagt Stefan Wolf, Fraktionsvize der SPD im Landtag. Der 26-jährige Syrer war mit einem anderen per Haftbefehl wegen Diebstahls gesuchten Mannes aus Mali verwechselt worden und hatte wochenlang zu Unrecht im Gefängnis gesessen. Er starb gut zwei Wochen, nachdem es am 17. September in seiner Zelle einen Brand gegeben hatte an seinen schweren Verletzungen (40% der Haut verbrannt).
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Was die zuständigen Minister Reul (Innen, CDU) und Biesenbach (Justiz, CDU) bisher in der Sache gesagt haben, stellt die Sozialdemokraten in keiner Weise zufrieden. Von den Antworten auf einen umfangreichen Fragenkatalog machen sie ihr weiteres Vorgehen abhängig. Im Raum steht die Drohung mit einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Einige Merkwürdigkeiten:
Die Verwechselung
„Warum fällt es niemandem auf, dass der Falsche eingesperrt wurde, obwohl weder Namen, noch Geburtstag, Sprache oder selbst die Hautfarbe übereingestimmt haben?“, fragt SPD-Mann Wolf.
A. hat keine dunkle Hautfarbe wie die meisten Männer aus Mali, spricht auch kein Französisch. Bei einem Gespräch mit der Klever Anstaltspsychologin am 3. September soll er klipp und klar gesagt haben, dass er nicht der Gesuchte ist und auch dass er nie in Hamburg war, wo die Diebstähle verübt wurden. Im Protokoll vermerkt wird, dass der Häftling „unklare Angaben zur Person“ gemacht habe.
Selbstmordgefahr
Bei der Erstaufnahme im Juli in Geldern ist bei A. eine akute Selbstmordgefahr festgestellt worden. Entdeckt wurden am ganzen Körper auch Schnittverletzungen – über die das Justizministerium später sagt, dass diese „auf ehemalige Suizidversuche hätten hinweisen können“. Die Klever Psychologin glaubt A. seine Angaben zur Person nicht.
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Sie scheint ihm aber abzunehmen, dass er keine akuten Selbstmordgedanken hege und sich auch noch nicht verletzt habe. Die suizidpräventive Maßnahmen werden gelockert (verstärkte Beobachtung). Nur anderthalb Wochen später kommt es zu dem verhängnisvollen Brand, den A. nach bisherigem Stand der Ermittler selbst gelegt haben soll.
Medizinische Versorgung
Die SPD-Fraktion weist daraufhin, dass bei A. bei der Erstaufnahme in Geldern u. a. eine Persönlichkeitsstörung, eine Anpassungsstörung, ein Borderline-Syndrom, sowie Drogenkonsum und Alkohol-Missbrauch festgestellt wurde. Sie fragt jetzt, ob A. die nötige medizinische Versorgung erhalten hatte.
Der Brand
„Die Brandentstehung ist für uns völlig offen“, sagt SPD-Mann Wolf. Zu einem Selbstmordversuch passe nicht, dass das Zellenfenster offen war, und ebenso, dass A. nach Zellenöffnung auf das JVA-Personal „zugetorkelt“ sein soll. Die Erfahrung lehre, dass sich Selbstmörder lieber dem Zugriff entziehen, um ihr Werk zu vollenden. Nach Informationen der SPD-Fraktion soll die Zellentüre auch nicht umgehend geöffnet worden sein.
Die Ermittlungen
Die SPD wundert sich, dass für die Aufklärung des Falles nicht sofort ein Brandsachverständiger herangezogen wurde. Immerhin habe es infolge des Brandes elf Verletzte geben – ein schwerwiegender Vorfall also. Ein Sachverständiger sei erst Wochen später hinzuzogen worden, nachdem sich herausgestellt habe, dass die Brandermittler der Polizei mit Nachfragen überfordert gewesen seien.
Die Frage aber sei, was ein Brandermittler da noch feststellen könne. Immerhin sei der Zelle zwischenzeitlich mindestens vier Mal geöffnet und teils auch betreten worden – zum Beispiel durch den Bau- und Liegenschaftsbetrieb.
Die Aufklärung
Die SPD-Politiker im Rechtsausschuss fühlen sich Minister Biesenbach unzureichend informiert. Der CDU-Politiker habe in einer Sitzung am 26. September nicht erwähnt, dass A. selbstmordgefährdet war, obwohl man um „alle wichtigen Informationen“ gebeten hatte. Erst als bereits Medien von der Selbstmordgefährdung berichtet hatte, habe Biesenbach dies auf einer Sondersitzung von Innen- und Rechtsausschuss am 5. Oktober bestätigt.
HINTERGRUND
Sven Wolf beklagt auch den Umgang mit Hinterbliebenen: „Warum hat niemand die Familie des Opfers informiert?“ Der Vater von Amed A. habe den Tod seines Sohnes aus dem Internet erfahren. Wolf: „Da hätte sich schon ein Vertreter der Landesregierung die Mühe machen können, die schlimme Nachricht persönlich zu überbringen.“