Bochum. . Mit dem Freispruch von zwei Bandidos-Rockern hat das Landgericht Bochum das Kuttenverbot von NRW-Innenminister Jäger ins Wanken gebracht. Kippen soll es vorerst jedoch nicht, heißt es im Ministerium. Dort baut man nach wie vor auf ein Gerichts-Urteil aus Hamburg.

Das 'Kuttenverbot' für bestimmte Rockergruppen in NRW ist ins Wanken geraten, aber noch kippt es nicht um. Das Landgericht Bochum hat mit seinem Urteil zum Kuttenverbot gegen zwei Rocker aus Bochum und Unna am Dienstag für Ungemach im NRW-Innenministerium gesorgt. Sie waren im August in "Bandidos"-Rockerkluft im Bochumer Polizeipräsidium aufgetaucht, obwohl das Tragen seit Juli durch einen Erlass von Innenminister Ralf Jäger (SPD) in NRW unter Strafe steht. Dafür sollten sie 600 Euro Strafe zahlen. Doch das Gericht kam zu dem Schluss, dass ein allgemeines Kuttenverbot gegen Rockergruppen rechtlich nicht haltbar ist.

Nur, weil ein Fanclub randaliere, darf man nicht das Vereinslogo verbieten, warnte Richter Michael Rehaag in Anlehnung an den Fußball davor, Kuttenverbot "pauschal" zu verhängen. Einzelne, örtliche verbotene Rocker-Vereinigungen begründeten demnach nicht ein generelles Verbot ihrer Abzeichen - wenn sie sich hinlänglich von den verbotenen Symbolen unterschieden.

Bochumer Rocker-Urteil ist Startschuss für den Gang durch die Instanzen

Das ist der Knackpunkt in der Debatte um Kuttenverbote. Das Hamburger Oberlandesgericht hatte dazu im April erstmals eine neue Rechtssicht vertreten und die Rocker-Symbole in seine Einzelteile zerlegt. In der Regel bestehen die Abzeichen aus den Elementen "Top-Rocker" (Gruppenname), "Center-Crest" (Symbol, wie z.B. Totenkopf oder Sombrero-Figur) und "Bottom-Rocker" (Herkunftsort oder -Land). Bis dato bezogen sich Verbote auf die Abzeichen als Ganzes. Das OLG Hamburg aber befand, dass es reiche, wenn im Logo einzelne verbotene Teile verwendet würden, um ein gesamtes Kuttenverbot zu verfügen. Das Verbot bestimmter Rocker-Symbole in NRW fußt auf diesem Urteil aus Hamburg. Das Bochumer Gericht bewertet das nun in erster Instanz anders und sieht bereits einen unterschiedlichen Ortsnamen als "hinreichende Abgrenzung".

Im NRW-Innenministerium hält man an dem bisherigen 'Kuttenverbot' fest. Erst wenn das Bochumer Urteil rechtskräftig ist, "entscheiden wir neu", sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Doch bis das Urteil Rechtskraft hat, kann einige Zeit verstreichen. Rechtskraft tritt erst ein, wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft sind. Den ersten Schritt dazu hat noch am Dienstag die Staatsanwaltschaft Bochum getan. Sie hat Revision eingelegt und bringt den Fall in die nächste Instanz. Der Bundesgerichtshof hat nun zu entscheiden. Im Fall des Hamburger Hells Angels, der das Urteil zum Kuttenverbot in der Hansestadt ins Rollen gebracht hatte, dauerte der Rechtsweg vom Amtsgericht bis zum OLG drei Jahre.

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"Man wird sie erkennen"

Ähnliche 'Kuttenverbote' gibt es aktuell auch in Berlin, Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern. In NRW betrifft es neben Hells Angels und Bandidos auch die Rockervereinigungen Chicanos MC, X-Team, Diablos MC, Red Devils MC, Gremium MC und Mongols MC. Aus Sicht des Rocker-Forschers Florian Albrecht von der Universität Passau, machen Verbote von Rockersymbolen allerdings keinen Sinn: "Dahinter steckt der Glaube, 'wenn man den Täter nicht erkennt, gibt es keinen Täter mehr'".

Zudem gebe es "noch andere Symbole von Rockern, die nicht verboten sind"; bei Bandidos etwa die Buchstabenkombination "BFFB", die "Bandido for ever - for ever Bandido" bedeutet. Rocker, meint Albrecht, "sind immer bestrebt, sich über ihre Kleidung in Szene zu setzen. Man wird sie erkennen".

Keine Beschwerde möglich gegen Hamburger OLG-Urteil

Im NRW-Innenministerium glaubt man nach wie vor, den Rockern empfindlich zu schaden: Es treffe die Rocker besonders hart, wenn sie sich nicht mehr martialisch in der Öffentlichkeit präsentieren und für sich werben könnten, sagt Innenminister Ralf Jäger: „Wir treten den Provokationen und Machtdemonstrationen dieser Banden entgegen. Das trügerische Bild von Motorradromantik hat den Blick auf die verbrecherische Realität verklärt.“ Beirren lassen mag sich Jäger durch das Urteil in Bochum nicht - aus rechtlicher Sicht ist er dazu auch noch nicht gezwungen: „Wir nutzen auch künftig alle rechtlichen Möglichkeiten, um Rockerkriminalität effektiv und nachhaltig zu bekämpfen“.

Welche rechtlichen Möglichkeiten die Behörden tatsächlich haben, muss sich noch zeigen. Das Hamburger OLG-Urteil ist unterdessen nicht mehr anfechtbar. Das Gericht hatte eine Revision nicht zugelassen. Die Beschwerde dagegen hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe abgelehnt. Demnach gibt man dort dem Zeigeverbot von Rockersymbolen keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung und sieht auch bestimmte Grundrechte durch ein 'Kuttenverbot' nicht verletzt.