An Rhein und Ruhr. . Im 1. Halbjahr 2014 verunglückten deutlich mehr Menschen auf Straßen in NRW. Gewerkschaft der Polizei fordert generelles Tempo 30 in Innenstädten
Es muss nicht unbedingt die Straße direkt vor der Schule sein (wird aber auch genommen). Die nordrhein-westfälische Polizei fragt Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre ganz generell: Wo habt ihr Angst im Straßenverkehr, wo wird zu schnell gefahren? Die Beamten wollen auf diesen Straßen beim neuerlichen Blitzmarathon am 18. September mit Laser und Radar Tempokontrollen durchführen. „Wir sehen die Gefahren im Straßenverkehr mit den Augen der Kleinsten“, erklärte Innenminister Ralf Jäger (SPD) gestern bei Vorstellung des Konzeptes in Aachen.
Kinder reagieren spontan – auch auf der Straße. Mal geht es einem Ball hinterher, mal schnell rüber zu Freund oder Freundin, und die Abkürzung zur Schule führt kurz vorm Stundengong quer über die Fahrbahn. Was das für Folgen haben könnte, überblicken Kinder in dem Augenblick nicht. Hinzukommt: Wer jung ist, muss ein Gefühl für Geschwindigkeit erst noch entwickeln. „Gerade das nicht angepasste Tempo von Autofahrern gefährdet Kinder extrem“, meint Kurt Bodewig, der Präsident der Deutschen Verkehrswacht.
Kontrollpunkte werden vorab veröffentlicht
Fürs Ministerium war es deshalb folgerichtig, Kinder in den Blickpunkt des nunmehr siebten Blitzmarathons in NRW und zweiten bundesweit zu stellen. Im Vorfeld gehen die Polizeibehörden jetzt auf die Kinder und Jugendlichen zu. Es gibt Facebook-Aufrufe; E-Mail-Adressen stehen bereit, damit Messpunkte gemeldet werden können (etwa: „blitzmarathon.kleve@polizei.de). Oder Polizisten gehen wie im Kreis Wesel in Schulen und werben Schüler, die den Blitzmarathon am 18. September als Messpaten persönlich begleiten. In Oberhausen ist das Jugendparlament eingebunden. Alle Messpunkte werden im Vorfeld der Großkontrolle veröffentlicht, heißt es bei der Polizei. Es soll keiner sagen, er sei nicht gewarnt gewesen.
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Während das Ministerium den mittlerweile etablierten Blitzmarathon als „erfolgreich“ preist, sieht die Gewerkschaft der Polizei (GdP) die breit angelegte Kontrollaktion kritisch. Kontrolle müsse zwar sein, unbedingt, aber: „Mit dem Blitzmarathon allein werden wir die Zahl der Verkehrsopfer aber nicht reduzieren“, meinte Landeschef Adi Plickert. Die jüngste Unfallstatistik zeigt steigende Zahlen: 36 804 Menschen verunglückten im ersten Halbjahr 2014 auf den Straßen in NRW (+12,5% gegenüber 1. Halbjahr 2013), 217 davon ließen ihr Leben. 1415 Radler wurden schwer verletzt (+315), und mit 891 schwer verletzten Fußgängern gab es auch da 10% mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Gerade diese Entwicklung hält die GdP für dramatisch. Plickert forderte die Landesregierung auf, mit den Kommunen ein Konzept zu entwickeln, wie Radfahrer und Fußgänger besser geschützt werden. Aus Sicht des Gewerkschafters eine Aufgabe für die Stadtplanung: „Wir müssen Radfahrern und Fußgängern endlich den Raum auf den Straßen einräumen, den sie brauchen, um sicher anzukommen.“ Zudem nötig: ein generelles Tempo-30-Limit in Innenstädten. Jäger solle sich dafür beim nächsten Innenministertreffen in Bonn stark machen.