Essen. .
Geldwäsche internationaler Drogengelder im florierenden Essener Stadtteil Rüttenscheid – das ist nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Essen der Kernvorwurf gegen eine Gruppe aus rund 20 Geschäftsleuten kurdischer Herkunft, von denen ein Großteil seit Oktober vergangenen Jahres in Untersuchungshaft sitzt.
Zweigertstraße 12, direkt am pulsierenden Rüttenscheider Stern in der Ruhrmetropole Essen. Dort sitzt die Sito GmbH, die offiziell im An- und Verkauf von Nutzfahrzeugen aktiv ist. Nach den Erkenntnissen von Bundes- und Zollkriminalamt in Wiesbaden war sie aber die Schaltzentrale für die Verschleierung von Drogengeldern in Millionenhöhe.
Gegen die Hauptbeschuldigten Rebaz A. (50) und Kamal S. (54) hat das Amtsgericht Essen einen Arrest (Maßnahme zur Sicherung einer Zwangsvollstreckung) von zwölf Millionen Euro ausgesprochen. Hintergrund sollen auch Lieferungen von rund 851 Kilo Heroin sein, die am 30. März 2012 in Istanbul sichergestellt wurden.
Ein Mammutverfahren, geführt von der Staatsanwaltschaft Essen gemeinsam mit vielen ausländischen Ermittlern. Spanische, türkische, niederländische und ungarische Polizeidienststellen haben zusammengearbeitet, um das Geflecht von äußerlich legal wirkenden Firmen zu durchleuchten. Die Fahnder sind sicher, dass diese Unternehmen nur dazu dienten, kriminelle Strukturen zu verschleiern und Drogengelder zu waschen.
Dazu nutzten sie das im arabischen Raum verbreitete „Hawala-Banking“. Hawala beruht auf Vertrauen. Der „Hawaler“ in Deutschland nimmt Bargeld an und ruft seinen Vertrauten im Nahen Osten an, dass das Geld eingezahlt wurde. Darauf zahlt dieser das Geld aus. In Minutenschnelle, besser als jede Banküberweisung. Aber auch ohne jede staatliche Kontrolle. Terrorismus lässt sich so finanzieren, Drogengeld waschen.
Verkauf von Lkw oder Schrauben wurde angeblich nur vorgetäuscht
In Deutschland ist das Hawala-Banking strafbar, wenn es der staatlichen Aufsicht nicht angezeigt wird. Der Essener Staatsanwalt Stefan Schulte ist sich in seiner 214 Seiten starken Anklage sicher, dass die Beschuldigten genau wussten, aus welcher Quelle die Scheine stammten. Dass sie über Hawala Drogengelder wuschen. Offiziell ging es in den abgehörten Telefonaten um „Lkw“ oder „Schrauben“, die gekauft werden sollten. Schulte glaubt aber, dass das nur Synonyme für Gelder aus Rauschgiftgeschäften in den Niederlanden sind.
Der Hauptbeschuldigtewohnt in Burgaltendorf
Das System ist offenbar clever angelegt. Von der Essener Sito GmbH haben die Kuriere, die Scheine aus den Niederlanden abholen, immer Deklarationen, dass das Bargeld für den Ankauf von Lkw gedacht sei. Aber das sei vorgetäuscht, behaupten die Fahnder. Sie glauben, das mit abgehörten Telefonaten belegen zu können, in denen es oft ums Hauptproblem der Geldwäsche geht. Kleine Scheine.
Denn was nimmt ein Dealer ein, wenn er Junkies Drogen verkauft? Kleine Scheine. So ist in Telefonaten zu hören, dass die Geldwäscher sich über die kleine Stückelung der Bargelder beklagen. 497 820 Euro in 20er- und 10er-Scheinen müssen bei einer Zollkontrolle erst einmal erklärt werden, vor allem wenn sie bei einem Drogenschnelltest Kokainanhaftungen aufweisen. Für den Ankauf von Lkw nimmt man wohl anderes Geld mit.
Das alles passt nicht zum bürgerlichen Habitus der Hauptbeschuldigten. Kamal S., dem die Sito GmbH in Essen-Rüttenscheid gehört, wohnt im gepflegten Essener Stadtteil Burgaltendorf, seine Frau ist Lehrerin. Rebaz A. lebte im Irak, er soll beste Kontakte zur irakischen Regierung haben. Sein Verteidiger Volker Schröder bot der Justiz 250 000 Euro Kaution an, um ihn aus der Haft zu bekommen. Ohne Erfolg. Co-Verteidiger Axel Nagler sah die nach der Inhaftierung in Deutschland aufgetretene Schuppenflechte als Grund an, dass der Mandant aus der U-Haft müsse. Das OLG Hamm schmetterte auch diesen Antrag ab.
Frau, die zur Tarnung auf Kurierfahrt mitfuhr, ließ Gruppe auffliegen
Noch hat die XXI. Essener Strafkammer über die Zulassung des Verfahrens nicht entschieden. Alle Beschuldigten berufen sich auf einen legalen Geschäftsbetrieb der Sito GmbH. Aber wenn der Prozess stattfindet, wird das Essener Gericht erkennen müssen, dass auch in der islamischen Welt Vertrauen nicht viel Wert hat.
Angestoßen wurde das Verfahren durch eine Frau, die zur Tarnung bei einer Kurierfahrt mitfuhr. Die 278 000 Euro in einer Kühlbox im Kofferraum müssen sie so gereizt haben, dass sie Freunden den Tipp gab, das Geld zu stehlen. Von den Regeln des Hawala-Bankings dürfte sie nichts verstanden haben.