Bielefeld/Herford. Auf den ersten Blick scheint der Fall geklärt. Der kleine Dano aus Herford wurde ermordet, drei Wochen nach seinem Verschwinden wurde seine Leiche gefunden. Es gibt einen Verdächtigen und ein Geständnis. Und doch bleibt es unbegreiflich, warum der fünf Jahre alte Junge sterben musste.

Warum musste Dano sterben? Damit er seinem Vater nicht von der Ohrfeige berichten konnte, die er vom Nachbarn bekommen hatte? Weil er aus der Wohnung dieses Nachbarn fliehen wollte, während der sich am Telefon mit seiner Ex-Freundin stritt? Der 43 Jahre alte Mann hat zwar gestanden, Dano "in einer Ausnahmesituation" getötet zu haben - alle Einzelheiten kennt die Polizei aber nur vom mutmaßlichen Täter selbst. Und nicht jedes Detail stimmt mit dem Obduktionsergebnis überein.

Der mutmaßliche Mörder schildert das, was am 14. März passierte, so: Dano klingelte an der Tür der 43-Jährigen, um mit dessen Sohn zu spielen, mit dem er befreundet war. Dieser Sohn war aber mit seiner Mutter und den Geschwistern längst ausgezogen. Der Mann habe die Frau geschlagen, mit der er fünf Kinder zwischen ein und neun Jahren hat, sagt der Leiter der Ermittlungskommission, Arno Wittop. Die beiden Familien kennen einander, besonders die Frauen sind befreundet.

Er habe Dano loswerden wollen, der Junge habe aber eine freche Antwort gegeben, gab der 43-Jährige nach einigem Zögern in einer langen Vernehmung zu. Da habe er ihm eine Ohrfeige gegeben. Zunächst habe der Junge gedroht, seinem Vater davon zu erzählen, sich dann aber beruhigen lassen und ferngesehen. Bis der Hausherr beim Telefonieren mit seiner Ex-Freundin in Rage geriet.

"Dano versuchte wegzurennen, der Mann zerrte ihn aber zurück", beschreibt Staatsanwältin Ina Leinkauf die dramatischen Minuten. "Er drückte ihn aufs Sofa, warf eine Decke über den Jungen und schlug massiv auf ihn ein."

Gerichtsmedizin: Dano wurde erdrosselt

Die Schläge wurden durch die Obduktion bestätigt. Der Verdächtige sagt, er habe dem Jungen den Mund zugehalten, bis der sich nicht mehr geregt habe. Die Obduktion ergibt dagegen, dass Dano erdrosselt wurde. Jedenfalls schafft der Täter danach die Kinderleiche fort.

Danach begann eine der größten Suchaktionen der vergangenen Jahre in Nordrhein-Westfalen. Hundertschaften durchkämmten mehrmals das Ufer der Werre, Hubschrauber kreisten mit Wärmekameras über dem Stadtgebiet, Taucher und Hunde waren im Einsatz. Vergeblich: Die Spur verlor sich auf einem Spielplatz unweit des Flusses. Darum gingen die Ermittler vor allem von einem Unfall aus.

Festgenommener lebt nur wenige Eingänge neben Danos Familie

Schon wenige Tage nach dem Verschwinden wurden mehr als 100 Wohnungen und Keller in dem Wohnblock durchsucht, in dem Danos Familie lebt, auch die Wohnung des am Donnerstag festgenommenen 43-Jährigen. Er wohnt in dem Betonblock nur wenige Eingänge neben dem der Eltern. Ein Spürhund schlug damals nicht an. "Vermutlich weil die Leiche nicht lange genug in der Wohnung gelegen hat", sagt Chefermittler Wittop.

Die Vorgeschichte des 43-Jährigen, der wegen Gewaltdelikten und Diebstahls vorbestraft ist, führt nach Hannover. Die Ermittler in Bielefeld und Hannover bestätigten, dass gegen ihn schon einmal im Zusammenhang mit einem vermissten Kind ermittelt wurde.

Die achtjährige Jenisa war 2007 verschwunden und wurde nie gefunden. Fast sechs Wochen war der Mann, ein Bekannter der Familie, damals in Untersuchungshaft. Es fanden sich aber keine Beweise, er kam frei und zog nach Nordrhein-Westfalen. Jetzt wollen die Ermittler in Hannover die Akte Jenisa wieder aufschnüren. (dpa)