München. .
Er sieht aus, als ob er damit nicht gerechnet hat. Er presst die Lippen zu einem Strich zusammen, mahlt leicht mit dem Kiefer und wischt sich ein, zweimal mit dem Zeigefinger über die Augenwinkel. Uli Hoeneß ist fertig. Geschockt. Dreieinhalb Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung. Am Morgen noch war der Bayern-Boss seltsam leicht in den Gerichtssaal gekommen. Ein Bonbon lutschend und lächelnd. Vorbei!
Erdrückend still, wie in einer Kirche, war es vor der Urteilsverkündung im Saal 134 des Münchener Justizpalastes. Niemand spricht, niemand bewegt sich. Alles starrt auf ihn, den Angeklagten, alles wartet darauf, dass die Richter eintreten, das Urteil verkünden. Er sei ein harter Hund, hatte es über den Vorsitzenden Richter Rupert Heindl im Vorfeld des Prozesses geheißen. Das Verfahren führt er dann freundlich, manchmal sogar charmant, aber eben auch kenntnisreich und stringent. Sein Urteil ist nicht weniger unmissverständlich: „Ein Freispruch ist zu keinem Zeitpunkt dieses Verfahrens zu erwarten gewesen. Die Selbstanzeige erfüllt dazu nicht die Voraussetzungen, es wurden nicht in vollem Umfang Angaben gemacht.“
Getrieben von derAngst vor Entdeckung
Uli Hoeneß habe zudem trotz mehrerer Aufforderungen nicht die verlangten Unterlagen nachgereicht. Nicht sein Steuerberater trage dafür die Verantwortung, sondern er. Er habe zu lange auf Zeit gespielt, habe auf das deutsch-schweizerische Steuerabkommen gehofft und sei trotzdem nicht aktiv geworden, als dieses 2012 platzte. Am Ende sei Hoeneß getrieben gewesen von der Angst vor Entdeckung. „Der Ball geht zu Ihnen. Sie haben so unter Druck gestanden, dass Sie die Selbstanzeige doch riskiert haben, obwohl Sie nicht alles zur Verfügung hatten, was Sie dafür brauchten.“ Zu seinen Gunsten wiege sein Geständnis, seine Lebensleistung natürlich, zu seinen Ungunsten „die ganz erhebliche Schadenshöhe“.
Und dann listet der Richter noch einmal alle Summen auf, die der Bayern-Boss, der Noch-Bayern-Boss darf man wohl vermuten, in jedem einzelnen Jahr hinterzogen haben soll. Beträge sind das von 142 000Euro bis zu 14 Millionen Euro, zusammen 28,4 Millionen Euro, inklusive Solidaritätsbeitrag. Der 62-Jährige auf der Anklagebank starrt da nur noch leer ins Nichts.
Dreieinhalb Jahre Haft, das sind zwei Jahre weniger als am Morgen Oberstaatsanwalt Achim von Engel gefordert hatte. Auch er hatte argumentiert, die Selbstanzeige Hoeneß’ sei nicht wirksam gewesen, weil er nicht in vollem Umfang die richtigen Angaben gemacht habe. „Für die Termingeschäfte war nicht einmal eine grobe Schätzung angegeben worden. Die hätte ich gerne verwendet“, so von Engel auch in Anspielung darauf, dass seine Anklage bis zu diesem Montag noch von 3,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern ausgegangen war.
Interessant: von Engel bestätigt, dass die fehlgeschlagene Selbstanzeige deshalb von großer Bedeutung gewesen sei, weil die Unterlagen sonst nicht zu bekommen gewesen wären. Sprich, die Schweizer Bank Vontobel hätte sie ohne die Selbstanzeige von Hoeneß nie der Staatsanwaltschaft übergeben.
Hoeneß’ Verteidiger Hanns W. Feigen liefert ein Plädoyer, wie man es von ihm als hochkarätigem Wirtschafts-Anwalt erwartet hat. Geschliffen formulierend folgt er seiner bisherigen Strategie. Er hält die Selbstanzeige weiter für wirksam, plädiert auf Einstellung. Sollte das Gericht diese für unwirksam halten, müsse sie zumindest deutlich strafmildernd wirken, dürfe es allenfalls eine Bewährungsstrafe geben.
Die „Stunde Null“ in diesem Verfahren sei der 17. Januar 2013, 8.15 Uhr gewesen, jener Moment, in der die Selbstanzeige von Uli Hoeneß bei den Finanzbehörden eingegangen ist. „Diese Selbstanzeige, von vielen, die sie nie gelesen haben, als dilettantisch gescholten, ist weitaus besser als ihr Ruf. Sie lässt vor allem keine Zweifel daran, dass Herr Hoeneß damit zur Steuerehrlichkeit ohne jede Einschränkung zurückkehren wollte.“ Die Tat sei zu diesem Zeitpunkt nicht entdeckt gewesen. Hoeneß habe mit dem Schweizer Konto die Steuerquelle offengelegt, ja, die Finanzbehörden seien schon allein durch diese Unterlagen in der Lage gewesen, in Probeberechnung zusätzliche Steuern in Höhe von 70 Millionen Euro zu ermitteln.
Und er verweist dezent auf dessen Lebensleistung, auf sein Engagement für den FC Bayern, sein Herz für andere, denen er mit vielen Spenden half. Hoeneß sei öffentlich gebrandmarkt worden, regelrecht hingerichtet. Außerdem: „27 Millionen hinzulegen an Geldern, die man nicht mehr hat, ist kein Pappenstiel“, erklärt Feigen, auf die Millionen Steuern plus Zinsen anspielend, die Hoeneß nachzahlen muss.
200, 300 Menschenvor dem Gerichtsgebäude
28,4 Millionen sogar sind es dann nach dem Urteil. Und eben dreieinhalb Jahre Haft. Die drei jungen Männer inmitten der Zuschauer, die vor der Urteilsverkündung noch optimistisch ihre Pullover ausgezogen hatten, darunter rote Bayern München-T-Shirts lüfteten, gucken fassungslos. „Muss er sofort in Haft?“, fragen sie. Muss er nicht. Der Haftbefehl bleibt weiter gegen Kaution ausgesetzt. Rechtsanwalt Feigen verkündet, der Bundesgerichtshof solle nun entscheiden, wie mit „solch einer nicht idealen Selbstanzeige umzugehen ist“.
Draußen haben sich 200, 300 Menschen versammelt, darunter auch Fans, reden sich die Köpfe heiß. Richtig oder falsch? Gerecht oder ungerecht? In München gibt es kein anderes Thema. Uli Hoeneß, er hat nach dem Urteil nicht mal mehr auf seine Frau gewartet, er wollte wohl nur noch raus aus dem Saal.