An Rhein und Ruhr. . Nur drei von 151 Versicherern in Deutschland bieten noch die zwingende Berufshaftpflichtversicherung an. Bald sind es sogar nur noch zwei. Und wenn die Prämien weiter steigen, gibt es schon bald keine Alternative mehr zur Entbindung im Krankenhaus

Schwangere sind bei Hebammen in den besten Händen - besser, als bei Ärzten. Das hat eine britische Studie herausgefunden. Bei 16 000 Frauen aus vier Ländern kam heraus: Wer in der Schwangerschaft allein von Hebammen begleitet wird, hat weniger Komplikationen als jemand, bei denen auch ein Arzt mitwirkte.

Ein schönes Ergebnis. Doch hierzulande sieht es so aus, dass die Betreuung von Geburten bald die Domäne von Ärzten wird. Seit Jahren klagen Hebammen über drastisch steigende Versicherungsprämien - jetzt spitzt sich die Lage zu: Es gibt kaum noch Versicherer, die die für Hebammen in der Geburtshilfe vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung anbieten. Aktuell sind es noch drei.

Bald keine Versorgung mehr

„Das ist eine Katastrophe“, sagt Petra Onasch-Szerman, die die 180 Hebammen im Kreis Wesel vertritt. Die Nürnberger Versicherung zieht sich spätestens Juli 2015 aus dem Geschäft zurück - und das bei Jahresprämien, die mittlerweile bei 5000 Euro liegen und auch 2015 erneut um 20 Prozent steigen sollen. „Wenn Hebammen keine Grundlage mehr haben, dann gibt es bald keine Versorgung mehr für die Frauen, die entbunden haben. Und das, wo die Krankenhäuser die Frauen immer früher entlassen“, sagt Petra Onasch-Szerman.

680.000 Kinder kommen bundesweit jährlich zur Welt, 98 Prozent in einer Klinik. Sinkende Geburtenraten, niedrige Honorare für eine Geburt bei enormen Versicherungsprämien machen den Hebammen das Leben schwer. Für NRW plant Gesundheitsministerin Steffens einen „Runden Tisch Geburtshilfe“.

„Verrückte Situation“

Selbst die Versicherungswirtschaft gibt zu, dass es „nicht mehr Geburtsschäden gibt als früher“. Statt dessen aber seien die Kosten bei schweren Geburtsschäden explodiert: um 80 Prozent von 2003 bis 2012. Ein Geburtsfehler schlage mit 2,6 Millionen Euro zu Buche. Und zwar, weil man die Kosten auf ein Leben hochrechnet. Etwa, was ein Mensch durch eine Behinderung nicht an Lohn verdienen kann. Den kalkulierten Kosten stehen etwa jährlich 15 Millionen Euro Einnahmen an Versicherungsprämien durch Hebammen gegenüber.

Die Situation ist „verrückt“, sagt Versicherungsmakler Bernd Hendges. Denn die Krankenkassen, bei denen Hebammen ihre Arbeit in Rechnung stellen, würden den Kreislauf noch ankurbeln: Hebammen fordern von den Kassen mehr Geld, vor allem weil die Haftpflichtprämien steigen. Die Kassen sorgen mit dafür, dass diese Prämien teurer werden, „weil sie ihr Regress-Wesen ausgebaut haben“ und zunehmend Gesundheitsausgaben etwa in der Folge von Geburtsfehlern den Versicherern in Rechnung stellen.

Eine andere Geburtskultur

Die Kölner Pflegewissenschaftlerin Sabine Dörpinghaus sieht Hebammen als Opfer einer gestiegenen Anspruchshaltung in der Gesellschaft und fordert eine andere „Geburtskultur". Geburten seien nicht standardisierbar, Risiken nicht auszuschließen.

Beim NRW-Verband der Hebammen hat man weniger eine solche Gesellschaftskritik im Blick. Dort überlegt man derzeit Aktionen, wie Demos oder Mahnwachen. Noch diese Woche kommen Hebammen-Vertreterinnen mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zusammen.

Geburtshaus droht das Aus

Ob’s hilft? Darauf hoffen auch die Hebammen im Düsseldorfer Geburtshaus. Das Zimmer ist in warmen Orange gehalten. Ein großes Bett und ein Bassin stehen darin, an der Wand hängen Bilder. 150 Frauen entbinden hier jährlich, weil sie nicht im Krankenhaus Mutter werden wollen. Ob das auch in Zukunft geht, ist offen. Denn ohne Haftpflichtversicherung droht auch der Einrichtung das Aus.

Zehn selbstständige Geburtshelferinnen arbeiten in dem Haus, 15 weitere Hebammen kümmern sich von dort aus um die Wochenbett-Betreuung. Ein „Horrorszenario“ sieht Leiterin Meike Kemnitz, sollten sich die Frauen ab 2015 nicht mehr haftpflichtversichern können: nicht nur für die 30 Mitarbeiter des Geburtshauses, auch für die insgesamt knapp 100 Hebammen, die selbstständig in der Landeshauptstadt arbeiten. Für eine Stadt mit rund 600 000 Einwohnern ist das nicht viel. „Schon jetzt können wir nicht alle Anfragen für Wochenbett-Betreuung nachkommen“, sagt Kemnitz. „Ohne Haftplichtversicherung müssten wir schließen.“

Doch Kemnitz schöpft Hoffnung: „Wir erhalten jetzt endlich Unterstützung von allen Seiten. Elterninitiativen, Petitionen und Facebook-Gruppen üben Druck auf die Politik aus.“ So hoffe sie, dass Frauen auch weiterhin wählen können, wo sie ihr Kind zu Welt bringen – ob in der Klinik, zu Hause oder im Geburtshaus.