Berlin. .

Nach dem Skiurlaub hat sie den Vorfall zunächst verharmlost. Wird schon. Tagelang ging das so. Die Schmerzen aber blieben. Um einen Arztbesuch kam Angela Merkel (CDU) nicht herum. Letzten Freitag war sie so weit und die Diagnose ein Schock: Die vermeintliche Prellung erwies sich als Bruch im Becken - ein Klassiker unter den Skiverletzungen.

Nun erleben die Deutschen eine neue Kanzlerin: lädiert. Wochenlang muss die 59-jährige CDU-Frau pausieren. Gestern hat sie eine Reihe von Terminen abgesagt. Dabei war ihre Rückkehr geradezu sehnsüchtig erwartet worden. Spät war erst ihre neue Regierung gebildet worden; es war fast Weihnachten. Der Start ins neue Jahr ließ sich ungut an: Viel Ärger. Seither wirkt die schwarz-rote Koalition angegriffen. Und so wird die lädierte Kanzlerin zum Sinnbild einer Regierung, die auch am Stock geht.

Erkennbar wenig begabt

Gerade erst hatte die Kanzlerin ihr Mitgefühl für den beim Ski schwer gestürzten Rennfahrer Michael Schumacher ausgedrückt. Nun lenkt auch sie die Aufmerksamkeit darauf, dass es immer ein Restrisiko gibt, selbst beim Langlauf und selbst bei relativ niedrigen Geschwindigkeiten. Wie Millionen Deutsche fährt die Kanzlerin jeden Winter in den Urlaub, um beim Skifahren Kraft zu tanken.

Sie ist ihren Bürgern nicht als große Sportlerin bekannt. Dem früheren Radprofi Jan Ulrich hat sie erzählt, dass sie früher in der Schule in der DDR „erkennbar so wenig begabt“ war, dass man sie für keine Sportart für geeignet hielt. Für eine Woche Skifahren war Merkel jedes Jahr gut. Und so gingen um Weihnachten die Bilder von ihr und Ehemann Joachim Sauer um die Welt, beide in einer grauen Fleece-Jacke, die langen „Germina“-Bretter an der Hand (Siehe Info-Kasten).

Die Festtage verbrachte Merkel in St. Moritz (Engadin): Frische Luft, 20 bis 30 Zentimeter Schnee und dazu 250 Kilometer Loipe. Perfekt. Eigentlich. Aber bei einer der Touren ist Merkel hingefallen - ohne Fremdeinwirkung. Ein Missgeschick, „wir gehen von niedriger Geschwindigkeit aus“, so Regierungssprecher Steffen Seibert. Ein Bluterguss, Schmerzen. Dennoch ging sie - Achtung, Selbstdiagnose - in der Schweiz von einer Prellung aus, als sie am 30. Dezember die Rückreise nach Berlin antrat, wo am selben Tag die Silvesteransprache aufgezeichnet wurde.

Als letzte Woche dann die Schmerzen anhielten, wurde die Kanzlerin doch stutzig und suchte einen Arzt auf. Bei der Untersuchung zeigte sich, dass die schwere Prellung mit einem unvollständigen Bruch im linken hinteren Beckenring verbunden war, einer Infraktion, wie die Ärzte es ausdrücken. Es ist quasi ein Anriss, damit die Verletzung optimal heilt, soll Merkel die Füße hochlegen, genauer: Die Kanzlerin soll sich schonen.

Sie muss viel liegen. Und wenn sie geht, dann nur mit Hilfe, Stock oder Krücke. An Flugreisen ist nicht zu denken. „Jetzt folgt sie dem Rat der Ärzte“, versichert Seibert. Zwei, drei Wochen lang wird sie zumeist von zu Hause aus ihre Arbeit erledigen. Die vollständige Heilung wird sich länger hinziehen. Es ist eine hartnäckige Angelegenheit und sehr schmerzhaft.

Besuch von den Sternsingern

Merkel sei mobil erreichbar und „technisch in der Lage, die Regierungsgeschäfte zu führen“, so Seibert. Ihre Vertretung ist offiziell geregelt - Paragraf 8 der Geschäftsordnung der Regierung: Ein Minister wird dazu ernannt. Wer das ist, versteht sich von selbst. Es ist Vize-Kanzler Sigmar Gabriel (SPD).

Schon öfter regierten Kanzler vom Krankenbett aus, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Helmut Kohl. Merkel fällt es nicht ganz leicht. Sie kann es nicht lassen. Erst gestern war sie wieder im Kanzleramt und ließ sich - wie üblich zu Jahresbeginn - mit den deutschen Soldaten an ihren Einsatzorten im Ausland verbinden. Heute haben sich die Sternsinger angekündigt. Und wie man hört, werden auch sie nicht enttäuscht. Merkel will sie persönlich empfangen.