Herne. .
Rüdiger Sagel kann von Glück sagen, dass beim Parteitag der NRW-Linken am Wochenende keine Vorstandswahlen auf der Tagesordnung standen. Der Eklat um seine missratene Absage an Sankt Martin verfolgt den Landeschef noch immer, auch wenn er in seiner Rede das heikle Thema ausblendete. Während führende Linke den schwarz-roten Koalitionsvertrag in Berlin zerfetzten und scharfe Angriffe auf die SPD richteten, sorgte Sagels Vorstoß in den Reihen der Delegierten weiter für Kopfschütteln.
Erst im Juni wird der Vorstand neu gewählt – gut möglich, dass es der Ex-Grüne dann mit einem Gegenkandidaten zu tun bekommt. Seine Forderung, Martinsumzüge mit Rücksicht auf muslimische und nichtchristliche Kinder umzubenennen, hatte nicht nur die Linken-Prominenz von Gregor Gysi bis Sahra Wagenknecht aufgeschreckt. Als Reaktion gab es sogar einige Parteiaustritte.
„180 Seiten Wahlbetrug“
Offiziell nahm sich die Landespartei in Herne die Große Koalition vor und versuchte alles, um die SPD-Mitglieder während ihrer laufenden Abstimmung von der Notwendigkeit eines „Nein“ zu überzeugen. Als „180 Seiten Wahlbetrug“ bezeichnete Bundestagsfraktionsvize Wagenknecht den Vertrag. Es sei unglaublich, dass die SPD-Spitze „das Kreuz“ habe, ihren Mitgliedern ein solch „hundsmiserables“ Ergebnis vorzulegen. Die vereinbarten Regelungen beim Mindestlohn, bei Leiharbeit oder Rente seien aus Sicht der Linken völlig inakzeptabel. Wagenknecht: „Millionen Menschen werden auch weiterhin nicht von ihrer Arbeit leben können.“
Nach dem jüngsten Öffnungsbeschluss der Sozialdemokraten für künftige Koalitionen mit ihrer Partei warnte die linke Frontfrau den Parteitag vor „Illusionen“. Eine Chance sehe sie überhaupt nur, wenn die SPD-Basis den „miesen“ Koalitionsvertrag zerreiße und ihr „Agenda-Personal in die Wüste schickt“, schäumte sie. Ihrer Partei riet Wagenknecht davon ab, zu viele Kompromisse einzugehen: „Wir werden uns nicht um Kopf und Kragen regieren.“ Nicht die Linke müsse sich ändern, die SPD habe eine „Bringschuld“.
Schrumpfende Unterstützungbei Hartz-4-Empfängern
Allerdings schlugen mehrere Redner auch selbstkritische Töne an. „Die Linke muss kämpferischer werden“, forderte der Duisburger Jürgen Aust. Es reiche nicht aus, sich nur an der SPD abzuarbeiten, meinte eine Delegierte, vielmehr müsse die Linke nach ihren Verlusten bei der Bundestagswahl in NRW erst neues Vertrauen gewinnen. Es stimme sie nachdenklich, so eine Rednerin, dass ihre Partei bei armen Menschen und sozial Schwachen an Zuspruch verliere. Auch Sagel räumte schrumpfende Unterstützung bei Hartz-IV-Empfängern und in früheren „Hochburgen“ ein.
Mit Blick auf die Kommunalwahl im Mai rief der Parteichef die Kreisverbände dazu auf, sich inhaltlich für lokale rot-rot-grüne Bündnisse zu positionieren. „Da geht es ja nicht um Krieg und Frieden“, sagte er.
In ihren Leitlinien für die Rathaus-Wahlen kritisiert die Linke den rot-grünen Stärkungspakt für stark verschuldete Kommunen in NRW ebenso wie die Umlage, die wohlhabende Städte zahlen müssen. Stattdessen verlangt die Partei einen bundesweiten Solidarbeitrag für finanzschwache Städte, den vor allem Reiche und Erben von Millionen-Vermögen aufbringen sollen.