Düsseldorf. .

In NRW wächst der Widerstand gegen das achtjährige Turbo-Abi an Gymnasien (G-8). Eine landesweite Bürgerinitiative fordert die flächendeckende und ausnahmslose Rückkehr der über 620 Gymnasien zum Abitur nach neun Jahren. Das Bündnis aus Eltern, Ärzten, Pädagogen und Psychologen hält die auf acht Jahre reduzierte Regelschulzeit für gescheitert. Ihre Bilanz: sinkende Bildungsqualität, wachsender Stress für Schüler, mehr Schulabbrecher.

Mit 45 bis 50 Stunden pro Woche sei die Belastung der Kinder höher als es der Arbeitnehmerschutz für Erwachsene vorsehe, so Anja Nostadt, Sprecherin der Initiative. Die 2005 in NRW eingeführte Verkürzung der Schulzeit sei in Wirklichkeit eine „Schulzeitverdichtung“ mit negativen Folgen für die Gesundheit. Stressbedingte Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder Depressionen hätten zugenommen.

80 Prozent der Eltern dagegen

Die Initiatoren berufen sich auf mehrere Umfragen, nach denen bis zu 80 Prozent der Eltern zurück zu G-9 an Gymnasien wollten. Während allerdings in anderen Bundesländern schon Fortschritte zu erkennen seien, werde in NRW politisch „blockiert“, so Nostadt. Sie sieht dahinter die Absicht, genügend Kinder den Gesamtschulen und Sekundarschulen zuzuleiten, wo das Abi in neun Jahren erworben wird.

Der Siegener Studienrat Marcus Hohenstein nannte die Ausweitung der Unterrichtszeit in den Nachmittag „weitgehend sinnlos“. Es sei eine „Illusion“, nach dem Mittagessen noch anspruchsvolle gymnasiale Inhalte vermitteln zu wollen. Außerdem fehle den Schülern die Zeit für die Familie, Freunde und die „außerschulische Entwicklung“. Nach Einschätzung der Initiative, die mit Bündnissen in anderen Ländern kooperiert habe, hat die Straffung der Lehrpläne bisher keine Verbesserung gebracht.

Mit dem „massiv komprimierten“ Lehrstoff seien viele Schüler überfordert, berichtete Karin Hechler, Leiterin eines Gymnasiums in Frankfurt und selbst anfangs Verfechterin des G-8. Sie habe über die Jahre einen „schleichenden“ Qualitätsabbau beobachtet und sei mit ihrer Schule zum G-9 zurückgekehrt. Mit der Motivation der Schüler habe auch die Fähigkeit zum nachhaltigen Lernen gelitten. Zu den Gewinnern zähle dagegen die „Nachhilfe-Industrie“. Hechler nannte G-8 ein „Abi light“.

In NRW hatten 13 Gymnasien im Jahr 2010 die Option genutzt, G-9 erneut einzuführen. Im Schulministerium hieß es gestern, eine generelle Rückkehr sei nicht gewünscht. Es werde aber an Verbesserungen beim G-8 gearbeitet. Die Bilanz des ersten G-8-Abiturjahrgangs in NRW zeige, dass die Schüler genauso gut abgeschnitten hätten wie die aus G-9, so Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne).